Shannara V
aus und wütete, bis er glaubte, er werde auseinandergerissen. Dann änderte sich das Gefühl und entzündete eine neue Art von Schmerz. Erinnerungen durchfluteten ihn in breitem Strom und scheinbar endlos. Mit den Erinnerungen kamen auch die Gefühle, die sie begleitet hatten, Empfindungen voller Entsetzen und Angst und Zweifel und Bedauern, und ein Dutzend anderer Gefühle, die wie eine unaufhaltsame Sturzflut durch Walker Boh hindurchstürzten. Er taumelte zurück und versuchte zu widerstehen und sie abzuschütteln. Seine Hand kämpfte darum, den Schwarzen Elfenstein zu umschließen. Er versuchte, diesen Angriff abzuwehren, aber sein Körper wollte ihm nicht mehr gehorchen. Er wurde von den Magien ergriffen - sowohl von jener des Elfensteins, als auch von der des Nebels -, und sie hielten ihn fest.
Wie Allanon und der Geist des Todes in der dritten Vision!
Schatten! Hatte der Grimpond doch noch recht behalten?
Er sah andere Orte und Zeiten, sah die Gesichter von Männern und Frauen und Kindern, die er nicht kannte, wurde Zeuge von Ereignissen, die hervorsickerten und wieder verblaßten, und vor allem spürte er immer wieder beharrlich die Empfindungen jenes Wesens durch sich hindurchströmen. Walkers Gefühl dafür, wo er war, verschwand. Er ging in dem Bewußtsein jenes Eindringlings auf. Ein Mann? Ja, ein Mann, wie er erkannte, ein Mann, der unzählige Leben gelebt hatte, Jahrhunderte, weit länger als jeder normale Sterbliche, jemand, der so anders…
Die Bilder änderten sich abrupt. Er sah dunkle Gestalten in schwarzen Roben, die hinter Schloßmauern verborgen waren, in Räume eingeschlossen, die das Licht kaum erreichte, über uralte Lehrbücher gebeugt, schreibend, lesend, diskutierend…
Druiden!
Und dann erkannte er die Wahrheit. Es war ein unangenehmes, erschreckendes Wiedererkennen, das wie mit einer Klinge durch seinen Wahnsinn schnitt.
Das Wesen, das der Nebel in ihn hineingetragen hatte, war Allanon - seine Erinnerungen, seine Erfahrungen, seine Gefühle und seine Gedanken, alles außer Fleisch und Blut, denn das hatte er bei seinem Tode verloren.
Wie hatte Allanon dies ermöglicht, fragte sich Walker ungläubig und kämpfte gegen den Ansturm der Erinnerungen an und gegen die erstickende Decke der Gedanken des anderen. Aber er kannte die Antwort darauf bereits. Die Samen hierfür waren bereits vor dreihundert Jahren gesät worden. Warum aber? Und auch diese Antwort kam rasch, ein rotes Aufflackern der Gewißheit. Auf diese Weise sollte das Druidenwissen an ihn weitergegeben werden. Alles, was Allanon gewußt und empfunden hatte, war in dem Nebel aufgehoben worden, sein Wissen war dreihundert Jahre lang sicher gelagert worden und hatte auf seinen Nachfolger gewartet.
Aber da war noch mehr. Walker spürte es. Auch auf diese Weise sollte er geprüft werden. Auch auf diese Weise sollte entschieden werden, ob er ein Druide wurde.
Seine Grübelei hörte auf, als die Bilder weiterhin durch ihn hindurchrauschten, inzwischen als das erkennbar, was sie waren, die gesamte Druidenerfahrung, alles, was Allanon von seinen Vorgängern zusammengetragen hatte, eine Zusammenfassung all seiner Studien, der Erfahrungen seines gesamten Lebens. Wie Fußabdrücke auf weicher Erde gruben sie sich in Walkers Bewußtsein ein. Ihre Berührung war feurig und rauh, wie ein Stück Kohle, das auf seine Haut gelegt wurde. Die Wörter und Eindrücke und Empfindungen überrollten ihn wie eine Lawine.
Es kam zu viel, zu schnell. Ich will das nicht! schrie er entsetzt, aber immer mehr drang auf ihn ein, unaufhörlich, entschlossen - Allanons Selbst wurde auf Walker übertragen. Er kämpfte dagegen an, indem er in dem Gewirr von Bildern nach etwas Festem tastete. Aber das schwarze Licht des Elfensteins war wie ein Trichter, der sich nicht verschließen ließ, den es in jenen grünlichen Nebel zog, um ihn zu verschlingen und in seinen Körper überzuleiten. Stimmen stammelten einzelne Worte, Gesichter wurden sichtbar, Szenen veränderten sich, und die Zeit eilte davon. All das war eine Mischung der Eindrücke aus all den Jahren, in denen Allanon gelebt und dafür gekämpft hatte, die Rassen zu beschützen und sicherzustellen, daß das Druidenwissen nicht verlorenging, daß die Hoffnungen und Sehnsüchte, denen sich das Erste Konzil vor Jahrhunderten gestellt hatte, weitergetragen und bewahrt wurden. Walker Boh wurde in das alles eingeweiht und erfuhr, was es Allanon und all jenen, deren Leben er berührt hatte, bedeutet hatte,
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