Shannara VI
sollten. Das wichtigste Teil war Felsen-Dalls Besessenheit bezüglich Par. Es war offensichtlich, daß der Erste Sucher besessen war. Zuviel Zeit und zu viele Bemühungen waren eingesetzt worden, als daß man etwas anderes hätte denken können. Zunächst war da sein wohldurchdachter Schwindel, der Par glauben machen sollte, daß Coll tot sei. Dann durfte Coll ins Leben zurückkehren, von dem Spiegeltuch verwandelt und ausgesandt, um Par zu finden. Und dann der Versuch, Par das Schwert von Shannara zu überlassen, obwohl Par es nicht gebrauchen konnte. Was sollte das alles? Warum war sein Bruder so wichtig für Felsen-Dall? Wenn er ein Hindernis im Weg des Ersten Suchers gewesen wäre, wäre er schon vor langer Zeit getötet worden. Statt dessen schien Felsen-Dall mit komplizierten Spielen zufrieden zu sein - mit der Suche nach dem Schwert von Shannara, mit der Inszenierung von Colls Tod und Verwandlung und mit wiederholten Hinweisen, daß Par möglicherweise derjenige sei, den er vernichten wollte. Was hatte Felsen-Dall vor?
Coll wußte, daß dies alles irgendwie mit der Aufgabe verbunden war, die Allanon seinem Bruder übertragen hatte: daß er das Schwert von Shannara zurückbringen sollte. Vielleicht sollte das Schwert die Wahrheit hinter all den Täuschungen offenbaren. Vielleicht war es für etwas anderes bestimmt. Was auch immer der Grund war, hier waren Machenschaften und Finten am Werk, die weder er noch Par jemals durchschaut hatten, aber irgendwie mußten sie sie enträtseln.
Am Mittag machte er Rast, trank Wasser aus einem Fluß und sehnte sich nach Essen. Er näherte sich dem Silberfluß und wollte sich dann nördlich dem Rabb zuwenden. Er war in der Südwache bei den Übungen mit Ulfkingroh stark geworden, aber seine Verwandlung durch das Spiegeltuch hatte ihn erheblich geschwächt. Sein Hunger nagte an ihm, und schließlich gab er nach. Er setzte sein Schwert dafür ein, aus einem Weidenstock einen Speer zu formen, und ging fischen. Er watete durch die seichten Stellen des Sees bis zu einer stillen Bucht, wo er knietief im klaren Wasser stehenblieb, bis ein Fisch vorbeischwamm und er zustechen konnte. Er mußte es ein dutzendmal versuchen, aber schließlich hatte er seinen Fang gemacht. Er trug ihn an Land und erinnerte sich dann daran, daß er keine Möglichkeit hatte, ihn zu kochen. Er konnte ihn nicht roh essen - nicht nach so langer Zeit in der Knechtschaft des Spiegeltuchs. Er suchte seine Kleidung nach Utensilien ab, mit denen er ein Feuer hätte entzünden können, fand aber nur die seltsame Scheibe, die er Par gestohlen hatte. Ärgerlich und enttäuscht warf er den Fisch in den See zurück und brach erneut auf.
Der Nachmittag verging. Coll rastete jetzt häufiger. Er war benommen von der Schwüle und unkonzentriert. Schlaf würde helfen, aber er hatte beschlossen, bis zum Einbruch der Nacht weiterzugehen. Er sah Par jetzt hin und wieder im Schimmern der vom Gras aufsteigenden Hitze erscheinen, hörte ihn sprechen und sah, wie er sich bewegte. Erinnerungen kamen und gingen, Bilder stiegen auf und verschwanden, wenn er sich zu nah heranzuwagen versuchte. Er brauchte einen besseren Plan, sagte er sich. Es reichte nicht, einfach zur Südwache zurückzukehren. Er würde Par niemals allein befreien können. Er brauchte Hilfe. Was, so fragte er sich, war mit Morgan Leah und den anderen geschehen? Was war aus Walker Boh und Wren geworden? Wo war Damson? Suchte sie auch nach Par? Padishar Creel würde helfen, falls Coll ihn fand. Aber Padishar konnte überall sein.
Er lief in die frühe Dämmerung hinein und sah den Silberfluß als helles Band vor sich auftauchen, das sich landeinwärts wand. Er ging am Rande einer Schlammfläche entlang, die durch die Vergiftung einer seichten, schmalen Bucht entstanden war. Das lauwarme Wasser war grün und trüb, die Vegetation krankhaft grau, und der Gestank von Verwesung hing schwer in der Luft. Durch den Mund atmend, erzwang er sich seinen Weg daran vorbei und strengte sich an, schnell weiterzukommen.
Als er aus einem Pinienhain heraustrat, sah er einen Wagen und blieb stehen.
Fünf Männer, die um ein Herdfeuer herum saßen, schauten auf. Mit harten, rauhen Gesichtern sahen sie ihn regungslos an. Fleisch briet auf einem Spieß, und Suppe kochte in einem Kessel. Die Gerüche zogen verlockend zu Coll herüber. Eine Herde Maultiere stand angepflockt und graste. Zusammengerolltes Bettzeug lag verstreut auf dem Boden, bereit, zum Schlafen ausgerollt zu werden.
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