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Shannara VI

Titel: Shannara VI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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und beobachtete, wie sich die Föderationsarmee wie ein langsames, vielbeiniges Insekt ihren Weg über die Ebenen erkämpfte.
    Geistlos und beharrlich, dachte sie freudlos.
    Sie machte sich nicht die Mühe, zu den anderen hinüberzuschauen - zu Triss, Erring Rift und Desidio. Sie wußte bereits, was sie auf ihren Gesichtern sehen würde. Sie wußte bereits, was sie dachten.
    Sie beobachtete das Voranschreiten der Föderation schon seit mehr als einer Stunde - nicht in der Erwartung, etwas Wichtiges zu erfahren, sondern aus der Notwendigkeit heraus, etwas zu tun. Die Elfen waren in Schwierigkeiten. Die Föderation hatte ihren Marsch gen Norden zum Rheen vor zwei Tagen wiederaufgenommen, und die Zeit wurde knapp. Barsimmon Oridio hatte die Mobilisierung und Ausrüstung der Hauptarmee der Elfen schließlich beendet und war in aller Eile östlich zum Paß marschiert. Daher würden die Elfen mindestens drei Tage vor dem Feind in den Rhenn gelangen. Aber die Elfen waren der Föderation noch immer zehn zu eins unterlegen, und jeder direkte Angriff würde mit einer vernichtenden Niederlage enden. Schlimmer noch, die Kriecher zogen ebenfalls heran. Sie waren jetzt näher als zuvor und holten die langsameren Südländer schnell ein. In vier, vielleicht fünf Tagen würden die Kriecher sie erreichen und zu ihrer Vorhut werden, der Vorstoß einer Such-und-Vernichtungs-Aktion. Wenn das geschah, war das das Ende der Elfen.
    Wren spürte, wie Hoffnungslosigkeit an ihr nagte, und schob sie verärgert beiseite.
    Was kann ich tun, um mein Volk zu retten? Sie konzentrierte sich erneut auf die vorankriechende Armee und versuchte nachzudenken. Ein weiterer nächtlicher Überfall stand außer Frage. Die Föderation war jetzt vorbereitet und ließ sich nicht ein zweites Mal im Schlaf überraschen. Kavalleriepatrouillen ritten Tag und Nacht rund um die Armee herum und suchten das Land nach Hinweisen auf die Elfen ab. Einmal oder zweimal hatten sich eher dreiste als kluge Reiter sogar bis an die Wälder vorgewagt. Wren hatte sie vorüberreiten lassen. Die Elfen waren mit den Bäumen verschmolzen und in den Schatten unsichtbar geblieben. Sie wollte nicht, daß die Föderation erfuhr, wo sie waren. Sie wollte ihnen nichts geben, was sie ihnen nicht geben mußte. Nicht, daß es wichtig gewesen wäre. Die Patrouillen hielten sie in Schach, und Wachposten wurden bis auf eine Viertelmeile außerhalb des Lagers aufgestellt, wenn die Dunkelheit hereinbrach. Die Flugreiter konnten von oben hereingelangen, aber sie wollte ihre wertvollste Waffe nicht aufs Spiel setzen, wenn sie keine anderen Kräfte mehr in Reserve hatte.
    Außerdem war es unwichtig, was sie gegen die Föderationsarmee unternahm, wenn sie nicht zuvor einen Weg fand, die Kriecher aufzuhalten. Obwohl sie noch immer ein Stück weit entfernt waren, waren sie doch die gefährlichste und unmittelbarste Bedrohung. Wenn sie zuließ, daß sie den Rhenn oder auch die Westlandwälder direkt südlich von ihnen erreichten, würde nichts mehr sie daran hindern können, sich einen Weg direkt bis nach Arborlon zu bahnen. Die Kriecher würden sich nicht die Mühe machen, eine in die Stadt hineinführende Straße zu suchen. Sie würden sich nicht mit Hinterhalten und Fallen aufhalten. Sie brauchten keine Kundschafter oder Patrouillen, um den Feind ausfindig zu machen. Die Kriecher würden die Elfen finden, wo auch immer sie sich verbergen würden, und sie auf die gleiche Art vernichten, wie sie fünfzig Jahre zuvor die Zwerge vernichtet hatten. Wren kannte die Geschichten. Sie wußte, was für einem Feind sie gegenüberstanden.
    Der Schweiß lag auf ihrem Gesicht wie eine feuchte Maske. Sie atmete langsam aus, gab den anderen ein Zeichen und begann sich von dem Hügel zurückzuziehen. Als sie sich erneut im sicheren Schutz der Bäume befanden, erhoben sie sich und gingen zu der Stelle, an der ihre Pferde von Elfenjägern festgehalten wurden. Niemand sprach. Niemand hatte etwas zu sagen. Wren führte sie an und versuchte den Eindruck zu vermitteln, als hätte sie etwas geplant, auch wenn das nicht der Fall war. Sie war besorgt, daß sie das Vertrauen verlieren könnte, das sie sich mit dem Angriff vor drei Nächten erworben hatte, Vertrauen, das sie brauchte, wenn sie die Ereignisse auch dann noch unter Kontrolle halten wollte, wenn erst Barsimmon Oridio hier eintraf. Sie war Königin der Elfen, sagte sie sich. Aber sogar eine Königin konnte versagen.
    Sie saßen auf und ritten zum Elfenlager zurück.

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