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Shannara VI

Titel: Shannara VI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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hinab, in dem sie Schutz gesucht hatten, und schaute in den Himmel hinauf und über die Ebenen hinweg. Plötzlich erschien Matty Roh neben ihm. Leise wie ein Geist stand sie neben ihm, als wäre sie schon die ganze Zeit erwartet worden. Zusammen schauten sie über die leere Fläche des Rabb hinweg, betrachteten die Konturen des Landes im fahlen Sternenlicht und atmeten die schwindende Hitze des Tages in der abkühlenden Nacht.
    »Das Land, in dem ich geboren wurde, sah aus wie dieses«, sagte sie nach einiger Zeit, und ihre Stimme klang weit entfernt. »Flaches, leeres Grasland. Ein wenig Wasser, viel Hitze. Jahreszeiten, die rauh und gleichzeitig wunderschön sein konnten.« Sie schüttelte den Kopf. »Nicht wie das Hochland, vermute ich.«
    Er sagte nichts, sondern nickte nur. Ein flüchtiger Windhauch zerzauste ihr schwarzes Haar. Irgendwo in der Ferne heulte ein Wolf, doch sein Ruf verhallte unbeantwortet in der Stille.
    »Ihr wißt nicht, was Ihr von mir halten sollt, nicht wahr?«
    Er zuckte die Achseln. »Vermutlich nicht. Ihr seid eine ziemlich verwirrende Person.«
    Ihr Antwortlächeln kam und ging in Sekundenschnelle. Ihre feinen Gesichtszüge waren überschattet, was ihr in dem schwachen Licht ein hageres Aussehen verlieh. Sie schien über etwas nachzudenken.
    »Als ich fünf Jahre alt war«, sagte sie kurz darauf, »unmittelbar vor meinem sechsten Geburtstag, nicht lange nach dem Tod meiner Schwester, spielte ich mit meinem älteren Bruder draußen auf einem Feld in der Nähe des Hauses. Es war eine Weide, die in diesem Jahr brachgelegen hatte. Auf ihr grasten Milchkühe. Ich erinnere mich, daß ich eine der Kühe wie leblos auf der Seite liegen sah. Es sah irgendwie merkwürdig aus, und ich ging zu ihr, um nachzusehen, was da nicht stimmte. Die Kuh sah mich an, ihre Augen waren weit und starrend, und sie wirkte sehr verängstigt. Sie schien nicht einmal brüllen zu können. Sie lag im Sterben, halbwegs in und halbwegs außerhalb einer schlammigen Senkgrube, wie ich sie niemals zuvor gesehen hatte. Ihr Körper wurde zerfressen.«
    Matty kreuzte ihre Arme über der Brust, als friere sie. »Ich weiß nicht, warum ich das tat, aber ich wollte sie näher betrachten. Ich ging direkt zu ihr und blieb nicht stehen, bis ich nur noch wenige Meter von ihr entfernt war. Ich hätte meinen Bruder rufen sollen, aber ich war klein und dachte nicht daran. Ich betrachtete die Kuh und fragte mich, was geschehen war. Und plötzlich spürte ich das Brennen unter meinen Fußsohlen. Ich schaute hinab und sah, daß ich in einer Art Schlamm stand, in den auch die Kuh hineingeraten war. Der Schlamm war mit grünlichen Linien und Blasen durchsetzt. Er hatte sich bereits durch meine Schuhe hindurchgefressen. Ich wandte mich um und rannte davon, jetzt schreiend und um Hilfe rufend. Ich lief so schnell wie ich konnte, aber der Schmerz war schneller. Er zog durch meine Füße. Ich erinnere mich, daß ich hinabschaute und sah, daß einige meiner Zehen fehlten.«
    Sie erschauerte bei der Erinnerung. »Meine Mutter wusch mich, so gut es ging, aber es war zu spät. Die Hälfte meiner Zehen war fort, und meine Füße waren von Narben übersät und brannten, als seien sie angezündet worden. Ich bekam Fieber und blieb zwei Wochen im Bett. Sie dachten, ich würde sterben. Aber das tat ich nicht, ich blieb am Leben. Statt dessen starben sie. Sie alle.«
    Ihr Lächeln war verbittert und ironisch. »Ich dachte nur, Ihr solltet das nach heute morgen wissen. Ich mag es nicht, wenn Leute sehen, was mit mir geschehen ist.« Sie sah ihn kurz an und wandte sich dann erneut ab. »Aber ich wollte, daß Ihr es versteht.«
    Sie stand noch einen Moment länger bei ihm, sagte dann gute Nacht und verschwand wieder unter den Bäumen. Er sah lange Zeit hinter ihr her und dachte darüber nach, was sie ihm erzählt hatte. Und nachdem er zum Lager zurückgekehrt war und sich in seine Decke gewickelt hatte, konnte er lange nicht schlafen. Er konnte nicht aufhören, über Matty Roh nachzudenken.
    In der Dämmerung brachen sie erneut auf. Sie waren nicht mehr als Schatten in dem schwachen grauen Licht, das langsam von Osten herankam. Der Tag war bewölkt, und gegen Mittag begann es zu regnen. Die Gruppe wanderte mühsam durch die bewaldete Hügellandschaft nördlich von Varfleet und dem Mermidon weiter und folgte der Linie der Drachenzähne nach Westen. Zweimal kam der Kundschafter zurück, um vor Föderationspatrouillen zu warnen, und sie waren gezwungen, in

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