Shannara VII
stimmt nicht. Geheimnisse können großen Schaden anrichten.«
»Also gut, ich versuche es anders.« Quentin trank den Rest seines Biers aus. »Was erreichst du damit, wenn du dir Gedanken über Geheimnisse machst, die möglicherweise gar nicht existieren? Vor allem, wenn du keine Ahnung hast, woraus sie bestehen?«
»Ich weiß, ich weiß.« Bek seufzte. »Dennoch bin ich zumindest darauf vorbereitet, dass vor uns einige hässliche Überraschungen liegen könnten. Und solange ich ein Auge auf Walker werfe, kann er mich nicht mit seinen Verhüllungen der Wahrheit überraschen.«
»Großartig. Du bist vorbereitet und lässt dich nicht übertölpeln. Ich auch nicht, ob du es nun glaubst oder nicht, und das, obwohl ich mir nicht so viele Sorgen mache wie du.« Quentin starrte in die Dunkelheit, wo eine Sternschnuppe über das Firmament zog und verschwand. »Bloß kannst du dich nicht auf jede Möglichkeit vorbereiten, Bek, und gelegentlich wird man eben auch einmal übertölpelt. Tatsache ist doch, gleichgültig, was du tust oder wie sehr du dich anstrengst, manchmal ist alle Mühe vergeblich.«
Bek blickte ihn an und erwiderte nichts. Das stimmt schon, dachte er, doch wollte er nicht wahrhaben, was es bedeutete.
In dieser Nacht wurde sein Schlaf nicht durch Regen und Kälte gestört, der Himmel blieb klar und die Luft warm, und er träumte nicht. Trotzdem wachte er irgendwann aus dem Tiefschlaf auf, lag im Sternenlicht und fühlte sich unbehaglich. Das Feuer war niedergebrannt und lag kalt und grau da. Neben ihm schnarchte Quentin unter seinen Decken. Bek wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte, denn der Mond schien nicht, und der Wald über ihm war still und schwarz.
Ohne nachzudenken stand er auf, schaute sich währenddessen vorsichtig um und versuchte, die Quelle seiner Beklommenheit zu entdecken. Es schien jedoch keinen Grund zu geben. Er zog seinen großen Mantel über, wickelte sich fest darin ein und ging hinunter zum Ufer des Silberflusses. Der Strom war vom Frühlingsregen und der Schneeschmelze im Runnegebirge angeschwollen, dennoch floss das Wasser träge dahin. Während Bek dastand, schoss ein Vogel vorbei und glitt als stiller, zielstrebiger Schatten zwischen die Bäume. Bei der unerwarteten Bewegung ging Bek noch ein paar Schritte und blieb erneut stehen. Sorgsam betrachtete er die glitzernde Oberfläche des Wassers und suchte nach dem, was ihn beunruhigte, dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf das gegenüberliegende Ufer und die im Schatten liegenden Bäume. Noch immer nichts. Er holte tief Luft und seufzte. Vielleicht hatte er sich geirrt.
Er wollte gerade zu Quentin zurückgehen, da bemerkte er das Licht. Zuerst war es nur ein helles Glimmen, als hätte jemand im Wald auf der anderen Seite einen Funken geschlagen. Bek starrte auf die Stelle und war überrascht, denn es erschien erneut, verschwand wieder, erschien abermals und erstarb, bis das Licht beständig wurde und näher kam. Bei der Ankunft am Fluss tanzte es leicht auf und ab, dann glitt es aus den Bäumen heraus, schwebte frei in der Luft, flog über das Wasser und verharrte wenige Meter vor ihm.
Es leuchtete ihm grell in die Augen, und er blinzelte. Als er wieder sehen konnte, stand ein junges Mädchen vor ihm, das das Licht in der Hand balancierte. Irgendwie war sie ihm vertraut, obwohl er nicht recht wusste, wieso. Wunderschön sah sie aus mit ihrem langen dunklen Haar und den blauen Augen, und die Unschuld in ihrem Gesicht machte ihm das Herz schwer. Das Licht in ihrer Hand ging vom Ende eines polierten Metallzylinders aus und warf einen langen, schmalen Strahl auf den Boden zwischen ihnen.
»Bek Rowe«, sagte sie leise. »Kennst du mich?«
Er starrte sie an und vermochte nicht zu antworten. Sie war aus dem Nichts aufgetaucht, hatte den Fluss vielleicht nur auf der Luft überquert, und er hielt sie für ein Geschöpf der Magie.
»Du hast dich entschieden, eine lange und schwierige Reise zu unternehmen, Bek«, flüsterte sie mit der Stimme eines Kindes. »Du gehst an einen Ort, den bisher nur wenige aufgesucht haben und von dem nur einer zurückgekehrt ist. Aber die größere Reise wird dich nicht über Land und Meer führen, sondern ins Innere deines Herzens. Das Unbekannte, das du fürchtest, und die Geheimnisse, die du vermutest, werden sich dir enthüllen. Alles wird sein, wie es sein soll. Akzeptiere dies, denn es ist die Natur der Dinge.«
»Wer bist du?«, flüsterte er.
»Dies und jenes. Was du vor dir siehst,
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