Shannara VIII
laut wurde. Ohne einen Blick zurück setzte der Gestaltwandler seinen Weg durch den Gang fort. Der Junge vermutete, er habe eine der Treppen nach oben zum Ziel und war überrascht, als Truls Rohk genau das Gegenteil tat. Anstatt zum Hauptdeck hochzusteigen, bog Truls Rohk in einen Korridor ein, der als Sackgasse endete und zum hinteren Teil des Schiffes führte. Über ihnen hallten Stiefeltritte über das Deck und vermischten sich mit Schreien und Rufen. Die Mannschaft war erwacht, und wenn sie auch noch nicht nach ihnen suchte, so konnte das nicht mehr lange dauern.
Der Gang, den Truls Rohk gewählt hatte, endete nach ein paar Schritten vor einer schweren Holztür. Der Gestaltwandler stieß sie auf und zog Bek hindurch. Der Raum war dunkel, doch durch zwei offene Fenster fiel das Mondlicht herein und beschien dämmrig die Möbel einer Kabine. Im Bett erwachte ein Mann und sprang eilig auf, doch ein einziger Hieb von Truls Rohk warf ihn gegen die Wand, wo er bewusstlos zusammenbrach. »Aus dem Fenster«, zischte der Gestaltwandler Bek zu und schob ihn auf die offenen Luken zu.
Er selbst wandte sich der Tür zu, die gerade aufflog, und ein halbes Dutzend dunkler Gestalten wollte hereinrennen. Truls Rohk traf sie mit solcher Wucht, dass sie alle sechs zurück in den Gang segelten, stolperten und fluchten. Messer und Kurzschwerter blitzten auf, aber der Gestaltwandler wich den Klingen aus wie ein Gespenst, packte die offene Tür, knallte sie zu und rammte einen schweren Riegel in die Halterung.
»Los, raus!«, fauchte er Bek über die Schulter zu.
Von draußen warfen sich schwere Körper gegen die Tür, und große Klingen stocherten an dem Riegel herum und bohrten sich ins Holz. Bek stieg auf das leere Bett und schob ein Bein über die Fensterbank. Fast im selben Moment tauchte vor ihm eine dunkle Gestalt auf, die an einem Seil hing. Im Licht des Mondes sah Bek das Abzeichen der Föderation schimmern und trat dem Mann vor den Kopf, sodass er sich zur Seite drehte.
Hinter ihm splitterte die Tür und wurde eingedrückt. Erneut zögerte Bek.
»Los, raus!«, wiederholte Truls Rohk.
Bek schob sich durchs Fenster, während sich draußen eine weitere Gestalt an einem Seil von der Reling herunterließ und nach ihm griff. Er wich dem Angriff aus und warf sich kopfüber in die Bucht. Im dunklen Wasser unten tauchte er von dem Luftschiff fort, bis seine Lungen brannten. Erst dann kam er wieder hoch. Niemand war in Sicht. An Bord der Schwarzen Moclips war Kampflärm zu hören. Bek wartete einen Augenblick, ob Truls Rohk ihm wohl ins Wasser folgte, aber als er Boote mit Mwellrets sah, die heruntergelassen wurden, begann er wieder zu schwimmen. Er war ein guter Schwimmer, und er hatte weder Waffen noch Gepäck bei sich, die ihn behinderten. In geschmeidigen, lockeren Zügen hielt er auf das dunkle Ufer zu und erreichte es, ehe der Erste seiner Verfolger mit Rudern begonnen hatte. So leise er konnte, schlich er an Land, duckte sich hinter einem Baum und schaute zurück. Über das Wasser kamen die breiten, sperrigen Silhouetten der Boote auf ihn zu. Er suchte die dunklen Umrisse der Schwarzen Moclips nach Truls Rohk ab, konnte jedoch keine Spur von dem Gestaltwandler entdecken. Von Bord des Luftschiffes hörte man jetzt nur noch Stimmengemurmel, das über das Wasser zu ihm herübergetragen wurde. Unschlüssig, was er tun sollte, wartete Bek, während die Ruderboote näher kamen. Er war frei, doch wohin sollte er sich wenden? Ohne seine Magie und seine Waffen war es zwecklos, stehen zu bleiben und zu kämpfen. Aber wenn er floh, würden seine Verfolger ihn aufspüren und wieder einfangen. Er brauchte unbedingt die Hilfe des Gestaltwandlers.
Schließlich konnte er nicht mehr warten. Die Ruderboote hatten ihn fast erreicht. Er schlich so leise durch die Bäume, wie er konnte. Seine Verfolger würden im Dunkeln die Spuren nicht finden, also konnte er im Verlauf der Nacht einen Vorsprung herausschlagen. Am Morgen konnte er schon weit fort sein.
Aber in welche Richtung sollte er sich wenden?
Die Hoffnungslosigkeit seiner Situation überwältigte ihn, und einen Augenblick lang blieb er einfach stehen und starrte hinaus in die Dunkelheit. Er war frei, aber was konnte er mit dieser Freiheit anfangen? Sollte er nach weiteren Überlebenden der Schiffsmannschaft suchen, denn ein oder zwei hatte es vielleicht nicht erwischt? Sollte er nach Walker suchen und den Druiden vor Grianne warnen? Hatte er überhaupt Zeit genug, etwas anderes zu
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