Shannara VIII
tief Luft, um sich zu beruhigen, doch noch immer klopfte sein Herz heftig. Abermals betrachtete er die Klingen vor sich, dann wandte er schnell den Blick ab. Er hatte Angst. Die Tränen standen ihm in den Augen, und er musste sich arg zusammenreißen, damit sie ihm nicht übers Gesicht rannen. Die Mwellret-Wachen würden es mitbekommen. Darauf lauerten sie ja nur. Sie würden es Cree Bega berichten, der ihn für noch schwächer als erwartet hielte. Und der Anführer der Mwellrets würde diese Tatsache gegen Bek einsetzen.
Erneut ging er eine nach der anderen seine Möglichkeiten durch, wie unwahrscheinlich sie auch sein mochten; nichts erschien durchführbar. Er würde Cree Bega die Antworten geben müssen, die dieser von ihm verlangte. Des Weiteren konnte er nur hoffen, sie schriftlich abgeben zu dürfen und nicht gefoltert zu werden in der Absicht herauszufinden, ob er vielleicht nur den Stummen spielte. Und er hoffte, dass sie ihn von seinen Fesseln und von der Kette befreien würden - entweder, weil sie selbst auf die Idee kamen, oder weil er es ihnen vorschlug -, damit er am Ende eventuell doch einen Weg zur Flucht fand. Dem Plan mangelte es nicht an Pathos, dafür jedoch an realistischen Chancen, aber ihm fiel einfach nichts anderes ein. Ansonsten hatte er keine Hoffnung mehr, also klammerte er sich an diese winzige Möglichkeit wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm.
Das war nicht fair, dachte er. Nichts von alledem. So etwas hatte er hier nicht erwartet. Die Verheißungen hatten sich in nichts aufgelöst. Wieder traten ihm die Tränen in die Augen, und diesmal rannen sie ihm über die Wangen. Er senkte den Kopf, um sie im Schatten zu verbergen.
In diesem Moment öffnete sich die Tür erneut, der Riegel schnappte zurück, und die Angeln knarrten leise. Rasch sah er auf und erwartete Cree Bega. Aber es stand niemand im Türrahmen, er war ein schwarzes Loch zum Gang, wo kein Licht brannte.
Hatte dort nicht Licht gebrannt, als Cree Bega hinausgegangen war?, fragte sich Bek, plötzlich alarmiert.
Einen Augenblick standen die Wachen der Mwellrets wie erstarrt da. Dann zog der an der Tür ein kurzes Schwert unter dem Mantel hervor und schaute hinaus. Auf der Schwelle verharrte er und spähte in den Gang. Nichts geschah. Langsam und vorsichtig schloss er die Tür, wobei die Angeln erneut knarrten und der Riegel mit einem Schnappen einrastete.
Im nächsten Moment verlosch die Kerze vor Bek, und der Raum wurde in Dunkelheit getaucht, da durch die Luke kaum Licht einfiel. Irgendetwas bewegte sich schnell an Bek vorbei, wie er an einem kalten Windhauch spürte, der über seine Haut strich. Es verursachte kein Geräusch, während es auf den einen Mwellret zueilte, der angesichts der Wucht des Aufpralls grunzte und zu Boden ging. Die anderen beiden zischten warnend, dann waren sie in einen Kampf verwickelt und rannten durch den dunklen Raum zur anderen Wand. Bek erhaschte einen Blick auf ihren Gegner, eine große verhüllte Gestalt, die sich mit der Geschwindigkeit einer Moorkatze bewegte und erst den einen und dann den zweiten erledigte.
Bek starrte in die Düsternis. Das kann nicht wahr sein. Der erste Ret hatte sich wieder erhoben und kam seinen Gefährten zu Hilfe, und im Mondstrahl blitzte seine Klinge kurz auf. Man hörte das Geräusch eines Zusammenstoßes und ein Grunzen. Sekunden später taumelte der Ret zurück, das Kurzschwert steckte in seiner Brust, und er schien darum zu ringen, sich auf den Beinen zu halten. Als er kurz darauf umkippte, hatte er sein Leben ausgehaucht, und es war so still im Lagerraum, dass Bek sein eigenes Atmen hören konnte.
»Was ist los, Junge?«, flüsterte ihm jemand ins Ohr. »Hast du ein Gespenst gesehen?«
Es war Truls Rohk. Bek erschrak so heftig beim kehligen Klang der Stimme, dass er beinahe gewürgt hätte. Der Gestaltwandler tauchte vor ihm aus der Dunkelheit auf, seine in Mantel und Kapuze gehüllte Gestalt zeichnete sich schemenhaft im Mondlicht ab. Sekunden später waren die Handfesseln durchgeschnitten. Und danach sprengte er die Kette mit einer dünnen Eisenstange. Bek war frei.
Truls Rohk zog ihn auf die Beine. »Nicht sprechen«, flüsterte er. »Solange wir noch auf dem Schiff sind.«
Sie betraten den dunklen Gang, der Gestaltwandler ging voraus. Trotz Steifheit und verkrampfter Muskeln blieb Bek dicht bei seinem Retter und konnte sein Glück nicht fassen. Sie hatten sich kaum ein Dutzend Schritte von dem Lagerraum entfernt, als dort ein heiserer Schrei
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