Shannara VIII
»Möglicherweise. Aber eigentlich glaubt das niemand, nicht einmal Bek. Um diese Aufgabe zu erfüllen, wurde sie gerettet, durch das Schwert von Shannara und durch die Liebe ihres Bruders.« Er schnitt eine Grimasse. »Klingt ja beinahe romantisch.«
Sie lächelte. »Beinahe.«
Schweigend schauten sie den beiden weiter zu. Bek gestikulierte wild, aber Grianne stand einfach nur da, ließ den Sturm seiner Entrüstung über sich hinwegziehen, und in ihrer Haltung und ihrer Ruhe offenbarte sich gelassene Entschlossenheit. Sie hatte ihre Entscheidung längst getroffen, dachte Alt Mer, und sie ließ sich gewiss nicht leicht umstimmen. Natürlich lag das nicht nur an ihrer Sturheit. Vielmehr war sie sich ihres Schicksals bewusst, dessen, was von ihr erwartet und verlangt wurde. Sie hatte verstanden, welchen Preis sie zu zahlen hatte, um Vergebung für das Unheil zu erlangen, das sie als Ilse-Hexe angerichtet und das so viele Leben zerstört hatte.
Wenn das hier vorüber ist, dachte er, wird für alle von uns nichts mehr so sein wie zuvor, wird sich das Leben von jedem für immer verändert haben. Vielleicht sogar das Leben aller in den Vier Ländern. So zwingend war das, was sie in der Zukunft erwartete - ein neuer Befehl, ein neuer Anfang, ein Rückblick in die Vergangenheit, um Hoffnung für die Zukunft zu schöpfen. Das alles würde sich ereignen auf Grund der Geschehnisse, die sich hier in dieser Nacht in den Bergen der Drachenzähne, im Tal von Shale, am Rande des Hadeshorns zutragen würden, wo Grianne Ohmsford den Schatten von Walker rief.
Das hatte sie ihnen versprochen.
Ihm fiel es schwer, mit jemandem zu streiten, der sich für Walker Bohs Nachfolger und den nächsten Druiden in Diensten der Vier Länder hielt.
Bek wollte nichts davon wissen. Er hatte zu viel durchgemacht, um seine Schwester sicher nach Hause zu bringen, und jetzt würde er sie nicht einfach davonziehen lassen, damit sie sich erneut einem Risiko aussetzte - einem Risiko, das wahrscheinlich größer war als alle vorherigen.
»Du maßt dir an, du seiest bestimmt, etwas zu vollbringen, das selbst Walker nicht geschafft hat!«, fauchte er, und sie zuckte angesichts seines Zorns zusammen. »Er konnte nicht heimkehren, konnte sich selbst nicht retten, um den Druidenorden zum Leben zu erwecken. Warum meinst du, dir werde es gelingen? Wenigstens wurde er nicht von allen verabscheut!«
Die letzten Worte entsprangen der Verzweiflung, und kaum waren sie heraus, bereute er sie schon. Grianne hingegen schienen sie nicht zu berühren, und sie strich ihm sanft übers Gesicht.
»Sei nicht so wütend, Bek. Du wirst dein Leben sowieso nicht mit mir verbringen. Sondern mit ihr.«
Sie schaute hinüber zur Jerle Shannara und zu Rue Meridian. Stur leugnete Bek die Tatsachen und weigerte sich, ihrem Blick zu folgen.
»Mein Leben steht nicht zur Debatte«, beharrte er. »Aber deines, das du vermutlich wegwerfen wirst, wenn du diese Sache wirklich durchziehst. Warum kannst du nicht einfach mit mir nach Hause kommen, zur Abwechslung ein wenig Frieden und Behaglichkeit genießen und nicht gleich wieder losziehen, um das Unmögliche zu versuchen?«
»Ich weiß noch nicht genau, was von mir erwartet wird«, antwortete sie ruhig. »Ich weiß nur, was mir durch die Magie des Schwertes von Shannara enthüllt wurde - dass ich der nächste Druide sein werde und meine Sünden wieder gutmachen werde, indem ich diese Pflicht übernehme. Wenn durch meine Bemühungen ein Druidenrat gegründet wird, wie Walker es stets angestrebt hat, erhalten die Druiden wieder eine starke Präsenz in den Vier Ländern. Um das zu tun, wurde ich gerettet, Bek. Dafür hat Walker sein Leben gegeben, damit ich seine Ziele verwirklichen kann.«
Sie trat näher an ihn heran und legte ihm die schmalen Hände auf die Schultern. »Das tue ich nicht aus Selbstsucht. Ich verspüre einfach die Verpflichtung, aus einem verdorbenen Leben etwas Lohnendes zu schaffen. Sieh mich an, Bek. Sieh dir meine Verbrechen an. Ich kann die Chance, meine Taten wieder gutzumachen, nicht ausschlagen. Darauf hat Walker gezählt. Er kannte mich gut genug, um zu verstehen, wie ich mich fühlen würde, sobald mir die Wahrheit enthüllt würde. Er hat sich darauf verlassen, dass ich das Leid, welches ich verursacht habe, ausgleichen will. Wäre es nicht falsch von mir, ihn nun zu enttäuschen?«
»Du würdest ihn nicht enttäuschen, indem du das wirst, wozu du bestimmt warst, ehe das alles
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