SHANNICE STARR (German Edition)
jüngeren Mann, der unschlüssig mit einem Gewehr in den Händen in der Nähe des Rundbogens stand.
»Wer hat mit der Schießerei angefangen?«, fuhr sie ihn barsch an und zerrte an seiner Schulter.
»Ich weiß es nicht«, antwortete der Mann scheu. »Und ich will da auch nicht mitmachen.« Er starrte sein Gewehr an wie einen Fremdkörper.
Shannice ließ ihn stehen und rannte zum Tor. Eilends kletterte sie die Leiter zur Balustrade hinauf. Oben angekommen pfiffen ihr bereits die Kugeln um den Kopf.
»Wo ist Castle?«, rief sie und duckte sich. Der Remington glitt ihr in die Hand, als wäre er ein Teil von ihr.
»Niemand hat ihn gesehen!«, rief einer zurück. Der junge Bursche hielt ein Gewehr im Anschlag und hielt wahllos voraus. Entsetzt zog er den Kopf ein, als mehrere Kugeln in das Holz der Palisaden hackten. Splitter wirbelten umher. »Aber er hatte recht mit seiner Vorhersage. Die Leute aus der Stadt wollen uns vertreiben.«
Shannice schob sich an der Palisadenbarrikade hoch und linste über den Rand. Sie konnte mehrere Dutzend Angreifer ausmachen, die aus der Deckung von Felsen und Büschen heraus schossen. Vereinzelt liefen Städter über freies Gelände.
»Wie viele Leute habt ihr?«, fragte Shannice, nachdem sie sich einen Überblick verschafft hatte.
»Etwa dreißig Männer und eine Handvoll Jugendlicher.« Das Stakkato von Kugeleinschlägen unterbrach den Mann. Neben ihm wurde ein Mormone zurückgeworfen. Blut spritzte aus seiner Halsschlagader. Noch im Fallen wurde er zweimal in den Kopf getroffen und fiel in die Tiefe.
Dreißig Männer und ein paar Kinder gegen eine Horde wild entschlossener Vigilanten, überschlug Shannice. Das Blutbad ist nicht mehr aufzuhalten.
Ein weiterer Mormone auf der Balustrade wurde von Kugelgarben durchsiebt. Brustkorb und Rücken durchlöchert knallte er auf die Kante des Holzstegs und rollte darüber hinweg. Mit dumpfem Aufschlag prallte er Meter tiefer auf.
Die Halbindianerin presste die Kiefer aufeinander, schoss in die Höhe, gab mehrere gezielte Revolverschüsse ab und suchte gleich wieder den Schutz der Palisadenumzäunung auf. Aus den Augenwinkeln hatte sie noch sehen können, dass zwei der Angreifer zu Boden gegangen waren.
»Ihr verballert eure Munition, ohne etwas zu treffen!«, fauchte Shannice giftig. Sie sah keinen Ausweg für die Mormonen. Die Leute aus der Stadt würden die Siedlung irgendwann stürmen und in ihrem aufbrausenden Zorn jeden töten, der ihnen vor die Mündung ihrer Gewehre kam. Die Verluste auf beiden Seiten würden enorm sein. Auf der Balustrade lagen jetzt bereits vier Tote.
Ein weiterer Blick über die Palisaden zeigte Shannice, dass die Städter immer näher kamen. Wenn sie es schafften, das Tor aufzubrechen, stand ihnen allen ein grausames Massaker bevor. Einzelne Männer schlichen um die Siedlungseinfriedung herum, um Schlupflöcher zu finden, durch die sie ungehindert eindringen konnten. Unter ihnen vermeinte sie den Sheriff zu erkennen sowie diesen Schwarzen Catacca, mit dem sie bereits aneinandergeraten war.
Das wird hart, raunte ihre innere Stimme.
Aber als sie bereits auf dem Weg zu ihrem Rappen war, um ihr Gewehr und Munition zu holen, änderte sich die Situation schlagartig!
10
Tödlicher Irrtum
Shannice hatte die letzten Sprossen der Leiter erreicht und sprang zu Boden. Ihr Blick war auf den Rundbogen beim Nordflügel gerichtet, unter dem Denford Castle wie aus dem Nichts erschienen war. In der Linken schleifte der Mormonenführer einen schweren Gegenstand mit sich, den er nicht allein zu heben vermochte. Voller Grauen sah Shannice den blutenden Stumpf am rechten Arm des Mannes. Er hatte seine Hand verloren!
»Helft mir!«, schrie Castle in Hysterie. Er ließ den zylindrischen Gegenstand fallen, packte einen der Mormonen in seiner Nähe, zerrte ihn zu sich und befahl ihm, den Stahlzylinder aufzuheben und auf eine einachsige Deichsel zu montieren, die seit langer Zeit achtlos bei den Ställen gestanden hatte.
Eine Gatling Gun!, zog es scharf durch Shannices Verstand. Sie sah diese furchtbare Waffe zum ersten Mal. Ähnliche Geschütze waren während des Sezessionskrieges in Petersburg eingesetzt worden. Ihre verheerende Wirkung hatte sich schnell herumgesprochen. Wie Castle allerdings an das Maschinengewehr gelangt war, entzog sich ihrer Kenntnis. Er musste es aus Armeebeständen gestohlen oder über zwielichtige Quellen erstanden haben.
Doch selbst dieser unschätzbare Vorteil im Kampf gegen die
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