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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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dass Prabaker und Johnny Cigar von brutalen Morden erzählt hatten, die in Sapnas Namen begangen worden seien. Das anhaltende Schweigen und der erwartungsvolle Ernst im Raum hatten etwas Bedrohliches, das mich erschauern ließ. Die Härchen auf meinen Armen sträubten sich, und eine Raupe aus Schweiß kroch mir die Wirbelsäule hinab.
    »Nun, Lin?«
    »Wie bitte?«
    »Was hältst du davon?«
    Es herrschte eine so vollkommene Stille, dass ich mich schlucken hörte. Sie wollten eine Antwort von mir, und zwar eine überzeugende.
    »Ich weiß nicht recht. Ich meine, das ist so lächerlich und dumm, dass man es kaum ernst nehmen kann.«
    Madjid grunzte und räusperte sich laut und zog mit finsterer Miene seine buschigen schwarzen Augenbrauen zusammen.
    »Wenn ein Mann vom Hals bis zu den Leisten aufgeschlitzt wird und seine Organe und sein Blut im ganzen Haus verteilt werden, muss man diese Sache sehr wohl ernst nehmen.«
    »Hat Sapna das getan?«
    »Seine Anhänger, Lin«, antwortete Abdul Ghani für ihn. »Das geht auf ihr Konto und noch mindestens sechs weitere ähnliche Morde, alle im letzten Monat. Manche waren sogar noch grauenhafter.«
    »Ich habe die Leute über Sapna reden hören, aber ich dachte, das sei eine dieser Großstadtlegenden. In keiner der hiesigen Zeitungen stand etwas davon, ich lese die täglich.«
    »Die Angelegenheit wird mit größtmöglicher Vorsicht behandelt«, erklärte Khaderbhai. »Regierung und Polizei haben die Presse um Mithilfe gebeten. Die Morde wurden als einzelne, nicht miteinander in Zusammenhang stehende Vorfälle gemeldet, als Raubüberfälle, die eskaliert sind. Wir aber wissen, dass die Morde von Sapnas Anhängern begangen wurden, weil das Wort ›Sapna‹ mit dem Blut der Opfer an Wände geschmiert und auf den Boden geschrieben wurde. Trotz der furchtbaren Grausamkeit der Überfälle wurde an den Tatorten praktisch nichts von Wert gestohlen. Bislang existiert dieser Sapna offiziell nicht. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis alle von ihm und den Greueltaten erfahren, die in seinem Namen begangen werden.«
    »Und du … du weißt nicht, wer er ist?«
    »Wir sind sehr an ihm interessiert, Lin«, antwortete Khaderbhai. »Was meinst du zu dem Plakat? Es ist auf vielen Märkten und in Barackensiedlungen aufgetaucht, und wie du siehst, ist es auf Englisch verfasst. In deiner Sprache.«
    Ich spürte einen vagen Vorwurf in seinen letzten beiden Worten. Obwohl ich absolut nichts mit diesem Sapna zu tun hatte und kaum etwas über ihn wusste, veranlasste mich jenes eigenartige Schuldgefühl der vollkommen Unschuldigen zum Erröten.
    »Ich weiß nicht. Ich glaube nicht, dass ich da helfen kann.«
    »Nun komm schon, Lin«, äußerte Abdul Ghani vorwurfsvoll. »Irgendetwas wird dir doch einfallen. Irgendein Gedanke, eine Assoziation? Völlig unverbindlich. Nur keine Scheu. Sag einfach, was dir durch den Kopf geht.«
    »Na ja«, begann ich widerstrebend, »also, zunächst einmal denke ich, dass dieser Sapna – oder wer immer das Plakat fabriziert hat – Christ sein könnte.«
    »Ein Christ!« Khaled lachte. Er war ein junger Mann, vielleicht fünfunddreißig, mit kurzem dunklen Haar und hellgrünen Augen. Eine dicke Narbe zog sich in einer sanften Kurve von seinem linken Ohr bis zum Mundwinkel und versteifte diese Gesichtshälfte. Sein dunkles Haar war vorzeitig ergraut. Er hatte ein intelligentes, sensibles Gesicht, das Wut und Hass stärker gezeichnet hatten als die Messerwunde auf seiner Wange. »Die Christen sollen ihre Feinde doch lieben, nicht ausweiden!«
    »Lass ihn ausreden«, sagte Khaderbhai lächelnd. »Sprich weiter, Lin. Warum glaubst du, dass Sapna Christ ist?«
    »Ich habe nicht gesagt, dass er Christ ist – ich sage nur, dass derjenige, der dieses Plakat verfasst hat, christliche Wörter und Formulierungen benutzt. Hier im ersten Teil zum Beispiel, wo er sagt Ich bin gekommen … und Tut es zu meinem Gedächtnis, das klingt alles sehr biblisch. Und hier, im dritten Absatz … Ich bin die Wahrheit in ihrer Welt der Lügen, ich bin das Licht im Dunkel ihrer Gier, mein Weg des Blutes ist eure Freiheit – da wandelt er etwas ab: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben, das ist auch aus der Bibel. Und zum Schluss, als er sagt: Gesegnet sind die Mörder, denn sie werden Leben stehlen in meinem Namen – das klingt wie die Bergpredigt. Das ist alles an das Neue Testament angelehnt, und wahrscheinlich ist noch mehr drin, was ich gar nicht erkenne. Aber es ist alles

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