Shantaram
Kämpfen wohl ebenso viel Spaß hatten wie am Sex, und daran hatten sie nachweislich ziemlich viel Spaß. Sanjay, der aussah wie ein Filmstar, gab immer den Clown. Salman war ruhiger und ernster. Obwohl sie seit ihrer Kindheit unzertrennlich waren, schonten sie sich gegenseitig im Boxring ebenso wenig wie Abdullah und mich, wenn sie gegen uns kämpften. Wir trainierten fünfmal die Woche. Zwei Tage Pause bis zur nächsten Trainingseinheit brauchten wir, damit sich unsere gezerrten und geschwollenen Muskeln erholen konnten. Und das Training tat mir gut und half mir. Gewichte zu stemmen ist Zen für gewalttätige Männer. Nach und nach gewann mein Körper seine Kraft, seine athletische Form, seine Ausdauer zurück.
Doch während mein Körper gesund wurde, war mir wohl bewusst, dass meine Seele erst heilen würde, wenn ich herausgefunden hatte, wer meine Festnahme veranlasst hatte und für meinen Aufenthalt im Arthur-Road-Gefängnis verantwortlich war. Ich musste wissen, wer dahintersteckte, und ich musste den Grund in Erfahrung bringen. Ulla war aus der Stadt verschwunden – untergetaucht, behaupteten manche, doch niemand kannte die genaueren Umstände. Auch Karla war nicht mehr da, und keiner konnte mir sagen, wo sie sich aufhielt. Didier und andere Freunde stellten Nachforschungen für mich an, versuchten die Wahrheit ans Licht zu bringen, doch bislang hatten sie keinerlei Hinweise darauf gefunden, wer mir die Falle gestellt hatte.
Jemand hatte sich mit hochrangigen Bullen verschworen und veranlasst, dass ich ohne Anklage festgenommen und ins Arthur-Road-Gefängnis gesteckt wurde. Dieselbe Person hatte außerdem dafür gesorgt, dass ich im Gefängnis häufig und brutal misshandelt wurde. Ihr Motiv war entweder Strafe oder Rache. Das hatte Khaderbhai mir bestätigt, aber mehr wollte oder konnte er nicht sagen; er ließ lediglich noch durchblicken, dass die betreffende Person nichts von meiner Fluchtsituation gewusst habe. Diese Information – dass ich in Australien aus dem Gefängnis ausgebrochen war – war erst bei der routinemäßigen Überprüfung der Fingerabdrücke zutage gekommen. Und weil die Bullen sofort erkannt hatten, dass es sich auszahlen könnte, wenn sie darüber Stillschweigen bewahrten, hatten sie meine Akte so lange unter Verschluss gehalten, bis Vikram in Khaderbhais Auftrag bei ihnen erschien.
»Die Scheißbullen mochten dich, Mann«, sagte Vikram eines Nachmittags zu mir, als wir – ein paar Monate nachdem ich angefangen hatte, für Khaled als Einnehmer zu arbeiten – zusammen im Leopold’s saßen.
»Klar doch.«
»Nee echt, die mochten dich wirklich. Deshalb haben sie dich auch gehen lassen.«
»Ich hatte den Oberbullen vorher noch nie gesehen, Vikram. Der kannte mich überhaupt nicht.«
»Du blickst es nicht«, sagte er geduldig, goss sich noch ein Glas kaltes Kingfisher-Bier ein und trank genüsslich einen Schluck. »Als ich dich rausgeholt habe, hab ich mit dem Typen geredet. Er hat mir die ganze Geschichte erzählt. Es war nämlich so: Als der Typ, der für die Überprüfung der Fingerabdrücke zuständig ist, rausgefunden hat, wer zum Geier du tatsächlich bist – also, als die Nachricht kam, dass du der Kerl aus Australien bist, der so heftig gesucht wird –, da ist er völlig ausgeflippt. Er hat sich nämlich ausgerechnet, wie viel Kohle er machen könnte, wenn er das Maul hält und diese Information nicht rumposaunt. So eine Gelegenheit bietet sich nicht alle Tage, na ? Und was macht der Typ? Er hält tatsächlich das Maul, geht aber zu einem hochrangigen Bullen, den er kennt, und zeigt ihm das Ergebnis der Fingerabdruckanalyse. Der Typ flippt natürlich genauso aus und geht wiederum zu einem anderen Bullen – dem, den wir im Gefängnis gesehen haben – und zeigt dem die Akte. Der sagt dann den beiden ersten, sie sollen das Maul halten, er wird sich umhören, wie viel Geld da rausspringt.«
Ein Kellner brachte mir meinen Kaffee und plauderte einen Moment lang auf Marathi mit mir. Vikram wartete, bis wir allein waren, bevor er weitersprach.
»Die finden das super, weißt du, die Kellner und Taxifahrer und Postbeamten – sogar die Bullen –, die finden das super, dass du Marathi mit ihnen sprichst. Verdammt, Mann, ich bin hier geboren, aber du sprichst besser Marathi als ich. Ich hab das nie richtig gelernt. Es war einfach nie nötig. Das pisst die Marathis auch so an, Mann. Weil die Meisten von uns sich einen Scheiß um ihre Sprache kümmern, yaar – und die anderen,
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