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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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am Tag holte er in den wichtigsten Gebieten das Geld von seinen Einnehmern ab, einmal mittags und einmal spätabends. Die maßgeblichen Polizeibeamten in den einzelnen Gebieten wurden dafür bezahlt wegzuschauen, wenn etwas nicht mit ihrem Moralgefühl vereinbar war. Im Gegenzug sicherte Khaderbhai ihnen zu, dass jede Form von Gewaltanwendung, die er für nötig erachtete – wenn etwa jemand versuchte, seine Männer auszurauben oder Geld zurückzuhalten –, schnell und zuverlässig vonstatten ging, die Polizei dabei grundsätzlich aus dem Spiel gelassen wurde und ihre Interessen in keiner Weise bedroht wurden. Zuständig für die Aufrechterhaltung der Disziplin und die Durchsetzung von Khaderbhais Vorherrschaft war Abdullah Taheri. Sein Team aus indischen Goondas und iranischen Veteranen aus dem Krieg gegen den Irak sorgte dafür, dass Unregelmäßigkeiten nur selten vorkamen und gegebenenfalls gnadenlos bestraft wurden.
    »Du arbeitest mit mir«, erklärte Khaled. »Wir machen zusammen die Geldübergaben. Nach und nach lernst du alle Bereiche kennen, aber ich möchte, dass du dich auf die wirklich schwierigen konzentrierst – die Fünf-Sterne-Hotels und die Fluggesellschaften. Du machst die Anzugjobs. Ich begleite dich, gerade jetzt am Anfang, aber ich glaube, auf die lange Sicht ist es gut, wenn in diesen Läden ein Gora die Übergaben macht, ein gut gekleideter, weißer Ausländer. Weil du dort so gut wie unsichtbar bist. Niemand wird Notiz von dir nehmen. Deshalb werden unsere Verbindungsmänner bei dir weniger nervös sein. Danach möchte ich, dass du ins Reisegeschäft einsteigst. Da kann ich nämlich auch einen Gora gebrauchen.«
    »Ins Reisegeschäft?«
    »Oh, das wird dir gefallen!«, sagte er und sah mich wieder mit diesem traurigen Lächeln an. »Das wird dich für deine Zeit im Arthur-Road-Knast entschädigen, denn da bewegst du dich ausschließlich auf First-Class-Niveau.«
    Das Reisegeschäft, erklärte er mir, sei ein besonders lukrativer Zweig des illegalen Devisenhandels, und ein Großteil der Millionen Inder, die in Saudi-Arabien, Dubai, Abu Dhabi, Maskat, Bahrain, Kuwait oder anderswo am Persischen Golf arbeiteten, mischten dabei mit. Diese indischen Arbeiter, die dort mit Drei-, Sechs- oder Zwölfmonatsverträgen als Haushaltshilfen, Reinigungspersonal oder Hilfsarbeiter angestellt waren, wurden üblicherweise in ausländischer Währung bezahlt. Um ein paar Rupien dazuzugewinnen, versuchten die Meisten von ihnen ihren Lohn auf dem Schwarzmarkt umzutauschen, sobald sie wieder in Indien waren. Khaders Mafia-Klan bot den Arbeitgebern und Arbeitern eine Abkürzung der Geschäftswege an: Wenn die arabischen Arbeitgeber die ausländische Währung en gros an Khaderbhai verkauften, erhielten sie einen etwas günstigeren Kurs, sodass sie ihre Arbeiter in Rupien zum Schwarzmarktkurs bezahlen konnten, und zwar in Indien. So erwirtschafteten sie einen Rupienüberschuss und machten durch die Bezahlung ihrer Arbeiter sogar noch einen Gewinn.
    Für viele Arbeitgeber am Persischen Golf stellte diese Art von Devisenkriminalität eine unwiderstehliche Versuchung dar. Auch sie hatten Geheimvorräte von schwarz verdientem Geld unter ihren Luxusbetten. Und so bildeten sich Syndikate, die die Bezahlung der zurückgekehrten indischen Gastarbeiter in Rupien abwickelten. Die Arbeiter waren zufrieden, weil sie ihr Geld zum Schwarzmarktkurs bekamen, ohne selbst mit den abgebrühten Devisenschiebern verhandeln zu müssen. Ihre Chefs waren zufrieden, weil sie einen satten Gewinn erwirtschafteten, wenn sie das Geld von ihren Syndikaten auszahlen ließen. Und die Schwarzmarkthändler waren zufrieden, weil sie eine unerschöpfliche Quelle an Dollars, D-Mark, Riyals und Dirhams anzapfen konnten, um die nie versiegenden Bedürfnisse der indischen Geschäftsleute befriedigen zu können. Nur die Regierung hatte das Nachsehen, was allerdings bei keinem von den Tausenden und Abertausenden Kleinkriminellen, die an diesem Handel beteiligt waren, übermäßige Schamgefühle auslöste.
    »Ich … dieser ganze Bereich war mal eine Art Spezialgebiet von mir …«, sagte Khaled am Ende dieser ersten, langen Unterrichtseinheit. Er verstummte, und ich war mir nicht sicher, ob er sich in seinen Erinnerungen verloren hatte oder einfach nicht weiterreden wollte.
    »Als ich in New York studiert habe«, fuhr er schließlich fort, »habe ich angefangen, an meiner Dissertation zu arbeiten … na ja, ich habe über den nicht organisierten Handel in

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