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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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Kleiderständer. In einer großen Matka stand frisches Wasser parat. Dashrant verkündete stolz, das Wasser sei erst heute aus einem Brunnen in der Nähe geschöpft worden. Auf dem Tisch standen eine Flasche Kokos-Feni und zwei Gläser. Nachdem er mir versichert hatte, dass mein Motorrad und ich hier sicher seien, weil jeder in der Gegend wisse, dass das Haus ihm gehöre, gab er mir den Schlüssel zu dem Vorhängeschloss an der Tür und sagte, ich könne ruhig so lange bleiben, bis ich mein Mädchen gefunden hätte. Er zwinkerte mir zu und spazierte mit einem Lächeln auf den Lippen davon. Ich hörte ihn singen, als er zwischen den schlanken Palmen zu seinem Restaurant zurückkehrte.
    Ich zog das Motorrad an die Hüttenwand und band es mit einem Seil, das ich mit Sand bedeckte, an ein Bein des Bettgestells. Falls jemand versuchte, das Motorrad zu stehlen, würde mich die Bewegung wecken, hoffte ich. Erschöpft und enttäuscht sank ich dann aufs Bett und war innerhalb von Sekunden eingeschlafen. Es war ein erfrischender, traumloser Schlaf, doch nach vier Stunden wachte ich auf und war zu munter, zu unruhig, um wieder einschlafen zu können. Ich zog meine Stiefel an, nahm eine Kanne voll Wasser mit und ging zur Toilette hinter der Hütte. Wie viele Toiletten in Goa führte die schlüssellochförmige Toilettenöffnung ins Nichts. Die Ausscheidungen und sonstiger Unrat rutschten einen glatten, steilen Hang hinunter auf einen schmalen Weg. Dort spazierten dicht behaarte schwarze Schweine herum und fraßen alles, was sie vorfanden. Als ich zum Haus zurückging, um mir die Hände zu waschen, sah ich eine Herde dieser schwarzen Schweine den Weg entlangtrotten. Es war eine effiziente und umweltschonende Methode der Abfallentsorgung, doch der Anblick dieser Schweine bei ihrem Festmahl war ein beredtes Argument für den Vegetarismus.
    Ich ging zum Strand hinunter, der nur fünfzig Schritte von Dashrants Hütte entfernt lag, und setzte mich in die Dünen, um eine Zigarette zu rauchen. Es war kurz vor Mitternacht, und der Strand war leer. Der fast volle Mond hing wie eine Medaille an der Himmelsbrust. Eine Medaille wofür?, überlegte ich. Vielleicht wie das Purple Heart: »Im Kampf verwundet«. Mit jeder heranrollenden Welle ergoss sich Mondlicht auf den Strand, als locke das Licht selbst die Wellen an, als hätte das große Netz aus silbernem Licht, das der Mond ausgeworfen hatte, das ganze Meer erfasst, das nun Welle um Welle an Land gezogen wurde.
    Eine Frau mit einem Korb auf dem Kopf näherte sich. Sie wiegte die Hüften im Rhythmus der kleinen Wellen, die ihre Füße umspülten. Dann wandte sie sich vom Wasser ab und kam auf mich zu, setzte den Korb ab und hockte sich vor mich hin, um mir in die Augen zu schauen. Sie war Wassermelonenverkäuferin, etwa fünfunddreißig und mit Touristen und ihren Gewohnheiten offenbar vertraut. Energisch auf einem Betelpacken herumkauend, zeigte sie auf die halbe Melone, die noch in ihrem großen Korb lag. Es war ungewöhnlich, dass sie so spät noch am Strand war. Ich nahm an, dass sie ein Kind gehütet oder Verwandte gepflegt hatte und jetzt auf dem Heimweg war. Als sie mich allein hatte da sitzen sehen, hatte sie auf einen letzten Verkauf gehofft.
    Ich sagte ihr auf Marathi, dass ich ihr gern eine Scheibe Melone abkaufen würde. Sie war freudig überrascht, und als ich die üblichen Fragen, wo und wie ich denn Marathi gelernt hätte, beantwortet hatte, schnitt sie mir eine großzügige Scheibe ab. Ich aß die köstliche, süße kalinga und spuckte die Kerne in den Sand. Sie sah mir beim Essen zu und versuchte vergebens, mich davon abzuhalten, ihr statt einer Münze einen Schein in den Korb zu legen. Als sie aufstand und sich den Korb wieder auf den Kopf setzte, stimmte ich ein altes, trauriges und seit seiner Karriere als Soundtrack eines Bollywood-Films wieder äußerst beliebtes Lied an:
Ye doonia, ye mehfil
    Mere kam, ki nahi …
    Die ganze Welt, all ihre Menschen
    bedeuten mir nichts …
    Die Frau kreischte begeistert auf und legte eine schwungvolle Tanzeinlage ein, bevor sie langsam davonschlenderte.
    »Deshalb mag ich dich so, weißt du«, sagte Karla und setzte sich neben mich, rasch und anmutig. Der Klang ihrer Stimme und der Anblick ihres Gesichts raubten mir den Atem, und mein Herz begann wie wild zu pochen. So viel war geschehen, seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten, damals, als wir uns geliebt hatten, dass ihr Anblick mich fiebrig machte und meine Augen zu brennen

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