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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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nicht recht mit dieser Bemerkung. Ich hoffe, dass man mit gutem Neid noch weiter kommt, denn seit jenem Tag, als ich an diesem Maschendraht stand, ist ein halbes Leben vergangen, und ich beneide Anand noch immer um seine stille Einigkeit mit dem Schicksal, nach der es mich mit der ganzen Kraft meines mangelhaften und ruhelosen Herzens verlangt.

N EUNUNDZWANZIGSTES K APITEL
     

    A ugen, so vollkommen gerundet wie das Schwert des Perseus, wie die Schwingen des Falken im Fluge und die gewellten Muscheln von Meeresschnecken, wie Eukalyptusblätter im Sommer – indische Augen, die Augen von Tänzerinnen, die schönsten Augen der Welt, blickten unschuldig und konzentriert in Spiegel, die ihre Dienerinnen für sie bereithielten. Die Tänzerinnen, die ich für Johnnys und Prabakers Hochzeitsfeier engagiert hatte, trugen bereits ihre Kostüme, verhüllt von großen Tüchern. Unweit des Eingangs zum Slum, in einem Chai-Shop, aus dem man zu diesem Anlass die Kunden vertrieben hatte, legten die jungen Frauen lebhaft schwatzend und mit routinierten Gesten letzte Hand an ihre Frisuren. Durch das durchscheinende Baumwolltuch vor dem Eingang konnte man im goldenen Lampenlicht ihre Silhouetten erkennen, die draußen bei den Schaulustigen, die von mir auf Abstand gehalten wurden, heftige Sehnsüchte weckten.
    Dann war es so weit. Ich schlug das Tuch beiseite, und die zehn Tänzerinnen aus der Kompanie der Film City traten in Erscheinung. Sie trugen traditionelle Choli-Blusen und Saris, und ihre Kostüme schillerten zitronengelb, rubinrot, pfauenblau, smaragdgrün, golden, purpurrot, silbern, cremeweiß, orange und so rosafarben wie der Sonnenuntergang. Ihr Schmuck – Haarspangen, Quasten, Ohrgehänge, Nasenringe, Halsketten, Gürtel, Armreifen und Fußkettchen – glitzerte und funkelte im Licht der Laternen und Glühbirnen so wild, dass die Leute geblendet blinzelten. An jedem Fußkettchen klirrten Hunderte winziger Glocken, und als die Tänzerinnen mit anmutigen Schritten ihren Weg durch den Slum antraten, bestaunt von der ehrfürchtigen Menge, war der silbrige Klang dieser Glöckchen der einzige Laut, den man vernahm. Dann begannen sie zu singen:
Aaja Sajan, Aaja
    Aaja Sajan, Aaja
    Komm zu mir, Liebster, komm zu mir
    Komm zu mir, Liebster, komm zu mir
    Die Zuschauer, die ihnen vorausliefen und sie umringten, jubelten und johlten. Eine Horde kleiner Jungen rannte vor den jungen Frauen her, klaubte Steine und Äste auf und kehrte den Weg mit Palmwedeln. Junge Männer schritten neben den Tänzerinnen her und wedelten mit großen birnenförmigen Fächern aus geflochtenem Rohr. Weiter vorne auf dem Weg näherten sich in rotweißen Uniformen die Musiker, die ich für den Auftritt der Tänzerinnen ausgesucht hatte, der Hochzeitsempore. Prabaker und Parvati saßen auf der einen, Johnny Cigar und Sita auf der anderen Seite. Prabakers Eltern, Kishan und Rukhmabai, waren aus Sunder angereist. Sie wollten einen ganzen Monat bleiben und wohnten in der Hütte direkt neben Prabaker. Die beiden saßen mit Kumar und Nandita Patak ganz vorne auf der Empore, die mit einem riesigen Bild von einer Lotosblume und bunten Lichterketten geschmückt war.
    Mit Liebesgesängen betraten die Tänzerinnen die Bühne, blieben gleichzeitig stehen, stampften mit den Füßen auf und begannen sich im Kreis zu drehen. Ihre Arme waren graziös wie Schwanenhälse, ihre Hände und Finger wirbelten wie Seidenschals im Wind. Dann stampften sie unvermittelt dreimal mit den Füßen auf, und die Musiker spielten eine wilde mitreißende Version eines in diesem Monat besonders beliebten Filmsongs. Und unter tosendem Jubel tanzten die Mädchen in eine Million Träume.
    Nicht wenige dieser Träume waren meine eigenen. Ich hatte die Tänzerinnen und Musiker engagiert, ohne zu wissen, was sie für Prabakers Hochzeit aufführen wollten. Chandra Mehta hatte sie mir empfohlen und mir versichert, dass sie ihr Programm immer selbst entwarfen. Dieser erste Schwarzgelddeal für Mehta – die zehntausend US-Dollar, die ich ihm beschafft hatte – brachte mir bereits eine reiche Ernte ein. Durch ihn hatte ich andere Leute aus der Filmwelt kennen gelernt, die Gold, Dollars oder Papiere brauchten. In den vergangenen Monaten hatte ich mich zunehmend häufiger in den Filmstudios aufgehalten, und der Profit für Khaderbai vermehrte sich stetig. Beide Seiten profitierten von dieser Verbindung: Die filmi -Leute, wie sie in Bollywood hießen, fanden es amüsant, aus sicherer Entfernung mit dem

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