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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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einmal vollziehen, mit Letties Familie. Während Lettie ihre Mutter anrief, um ihre Ankunftszeit durchzugeben, nutzte Vikram die Gelegenheit für ein Gespräch unter vier Augen.
    »Danke für die Sache mit meinem Pass, Mann«, sagte er grinsend. »Diese beschissene Strafe wegen Drogenbesitz in Dänemark – eigentlich ja keine große Sache, hätte mir aber scheißviele Scherereien machen können, yaar.«
    »Keine Ursache.«
    »Und die Dollars. Das war ein verdammt guter Kurs, den du für uns rausgeholt hast. Ich werd mich irgendwie revanchieren, wenn wir wieder hier sind.«
    »Ist schon okay so.«
    »Weißt du, Lin, du solltest mal zur Ruhe kommen, Mann. Ich meine, ich will nicht deine Szene verdammen oder so. Ich sage das nur als Freund, der dich liebt wie einen Bruder. Das geht sonst alles übel aus, Mann. Ich hab gar kein gutes Gefühl. Ich … meine, du solltest irgendwie zur Ruhe kommen.«
    »Zur Ruhe kommen …«
    »Ja, Mann. Darum geht es doch nur, yaar.«
    »Was meinst du damit?«
    »Dass es in dem ganzen Scheißspiel doch nur darum geht. Du bist ein Mann. Und genau das muss ein Mann machen. Ich will mich echt nicht in deinen Kram einmischen, aber ich finde es irgendwie traurig, dass du das noch nicht kapiert hast.«
    Ich lachte, aber er blickte mich mit gerunzelter Stirn an.
    »Lin, ein Mann muss eine gute Frau finden, und wenn er sie findet, muss er zuerst ihre Liebe gewinnen. Dann muss er sich ihre Achtung erringen und danach ihr Vertrauen verdienen. Und so muss er weitermachen, so lange sie leben. Bis sie beide sterben. Darum geht es. Das ist das Wichtigste auf der Welt. Das macht einen Mann aus, yaar. Ein Mann ist wirklich ein Mann, wenn er die Liebe einer guten Frau gewinnt, ihre Achtung erringt und ihr Vertrauen verdient. Dann erst ist er ein Mann.«
    »Sag das mal Didier.«
    »Nein, Mann, du verstehst mich nicht. Für Didier ist es dasselbe, nur muss er eben einen guten Typen finden, den er lieben kann. Das gilt für uns alle. Was ich dir sagen will, ist, dass du eine gute Frau gefunden hast, Mann. Du hast sie schon gefunden. Karla ist eine gute Frau. Und du hast es geschafft, ihre Achtung zu erringen. Sie hat mir das mehrmals erzählt, Mann – von der Cholera und allem, im Zhopadpatti. Du hast sie echt beeindruckt mit dieser Rotkreuznummer, Mann. Sie achtet dich! Aber du weißt ihr Vertrauen nicht zu schätzen. Du vertraust ihr nicht, weil du dir selbst nicht vertraust. Und ich mache mir echt Sorgen um dich, Mann. Ohne eine gute Frau an der Seite ist ein Mann wie du – Männer wie wir beide – ständig in Gefahr, yaar.«
    Lettie kam auf uns zu, und Vikrams Miene wurde weich, als er sie liebevoll ansah.
    »Unser Flug wird aufgerufen, Lin, mein Lieber«, sagte sie. Ihr Lächeln war trauriger, als ich erwartet hatte, und es schmerzte mich. »Wir müssen los. Hier, das wollte ich dir noch geben, als Geschenk von uns.«
    Sie reichte mir einen schwarzen zusammengefalteten Stoffstreifen, handbreit und etwa einen Meter lang. Als ich ihn aufschlug, erblickte ich eine kleine Karte.
    »Das ist die Augenbinde, weißt du«, sagte sie. »Vom Zug, auf dem Dach, als Vikram mir den Antrag gemacht hat. Wir möchten sie dir schenken – als Andenken, weißt du. Und auf der Karte – das ist Karlas Adresse. Sie hat uns geschrieben. Sie ist immer noch in Goa, aber an einem anderen Ort. Nur für den Fall, dass du es wissen möchtest. Auf Wiedersehen, Lieber. Gib gut auf dich Acht.«
    Ich sah den beiden nach und freute mich über ihr Glück. Doch ich selbst war viel zu beschäftigt mit der Arbeit für Khader und den Vorbereitungen für Prabakers Hochzeit, um Vikrams Worten Achtung zu schenken. Nach meinem Besuch bei Anand, meinem letzten Besuch, war Vikrams Stimme dann verhallt zwischen all den anderen Ansprachen, Warnungen und Meinungen. Doch als ich in der Nacht nach Prabakers Hochzeit allein in meiner Wohnung saß und die Karte und den schwarzen Stoffstreifen aus der Tasche zog, entsann ich mich jedes einzelnen Wortes, das Vikram gesagt hatte. Ich rauchte und trank in einer Stille, die so absolut war, dass ich das Rascheln des Stoffes zwischen meinen Fingern hörte. Die verführerischen Tänzerinnen mit den Silberglöckchen waren zum Bus gebracht und üppig entgolten worden. Prabaker und Johnny hatten ihre Bräute zu Taxen geleitet, mit denen die Frischvermählten zu einfachen, aber guten Hotels am Stadtrand chauffiert wurden. Zwei Nächte lang konnten sie sich dort den Freuden intimer Liebe hingeben, bevor ihr

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