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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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das? Wer hat es dir gesagt? Wo ist es passiert?«
    »Polizisten waren hier«, sagte er und wurde schlagartig klar. Seine hellblauen Augen starrten mich an, als versuche er etwas zu erkennen, das auf dem Grund eines Sees lag. »Sie haben sich damit gebrüstet, vor Mehmet, einem der Besitzer. Du kennst Mehmet. Er ist auch Iraner wie Abdullah. Auf der anderen Straßenseite sind Polizisten aus dem Revier in Colaba im Hinterhalt gelegen. Sie haben gesagt, dass er in einer kleinen Straße beim Crawford Market umzingelt wurde. Sie haben ihm zugerufen, er solle sich ergeben. Es heißt, er habe ganz still gestanden, und seine schwarzen Kleider und seine langen Haare hätten im Wind geflattert. Darüber haben sie ziemlich lange geredet. Findest du das nicht sonderbar, Lin, dass sie über seine Kleider geredet haben … und über seine Haare? Was bedeutet das? Dann … sagten sie, er … habe zwei Pistolen aus der Jacke gezogen und angefangen, auf sie zu schießen. Sie haben sofort das Feuer eröffnet. Er wurde von so vielen Schüssen getroffen, dass sein Körper zerfetzt wurde, sagten sie. Er wurde zerrissen vom Gewehrfeuer.«
    Lisa begann zu weinen. Sie sank neben Didier, der mechanisch, wie unter Schock, den Arm um sie legte. Er sah sie nicht an, sondern tätschelte ihre Schulter und wiegte sie hin und her, doch in seiner Trauer schien er gar nicht wirklich zu merken, dass er nicht alleine war.
    »Da war eine riesige Menschenmenge«, fuhr er fort. »Die Leute waren aufgebracht und die Polizisten nervös. Sie wollten seine Leiche in einem ihrer Mannschaftswagen ins Krankenhaus transportieren, aber die Menge attackierte den Wagen und brachte ihn von der Straße ab. Sie fuhren dann mit ihm ins Polizeirevier am Crawford Market und wurden die ganze Zeit von der Menge verfolgt, die Flüche und Verwünschungen schrie. Sie sind immer noch da, glaube ich.«
    Das Polizeirevier Crawford Market. Ich musste sofort dorthin. Ich musste ihn sehen. Vielleicht lebte er noch …
    »Warte hier«, sagte ich zu Lisa. »Warte mit Didier auf mich, oder nimm dir ein Taxi nach Hause. Ich komme wieder.«
    Ein Speer bohrte sich in meine Seite, am Herz vorbei, drang an der Brust nach draußen. Abdullahs Tod, die Vorstellung seines leblosen Körpers. Ich fuhr zum Crawford Market, und jeder Atemzug drückte den Speer dichter an mein Herz.
    Kurz vor dem Revier musste ich das Motorrad stehen lassen, weil die Straße von einer tobenden Menschenmenge blockiert war. Ich bewegte mich zu Fuß weiter, drängte mich zwischen den aufgebrachten Menschen hindurch. Die Meisten waren Muslime. Aus den Gesängen und Rufen schloss ich, dass diese Leute nicht nur trauerten, sondern dass Abdullahs Tod bei den Armen in diesem Viertel einen Flächenbrand aus Unzufriedenheit und Empörung über Unrecht ausgelöst hatte. Männer schrien wilde Anklagen und Forderungen, und überall wurden Gebete zum Himmel gesandt.
    In dem chaotischen Tumult musste ich mir jeden Schritt durch Drängen und Schieben erkämpfen. Manchmal wurde ich von Wellenbewegungen vor und zurück oder seitwärts gerissen. Die Männer schlugen und traten wahllos um sich, und mehr als einmal ging ich zu Boden und konnte mich nur retten, indem ich mich an einem Hemd, einem Schal oder einem Bart festklammerte, um wieder auf die Beine zu kommen. Schließlich kam das Revier in Sicht, das von vier Reihen Polizisten mit Schildern und Helmen umstellt war.
    Ein Mann neben mir packte mich plötzlich am Hemd und begann, mir mit der Faust ins Gesicht zu schlagen. Ich hatte keine Ahnung, weshalb er das tat – vielleicht wusste er es selbst nicht –, aber das spielte auch keine Rolle. Ich versuchte mich wegzuducken und loszureißen, aber er hatte sich so fest in mein Hemd verkrallt, dass ich ihn nicht abschütteln konnte. Ich trat einen Schritt vor, rammte ihm zwei Finger in die Augen und traf ihn gleichzeitig mit der Faust oberhalb vom Ohr. Er ließ mich los und fiel um, doch nun fingen andere an, auf mich einzuschlagen. Die Menge um mich herum lockerte sich, und ich holte aus und schlug willkürlich in alle Richtungen.
    Die Lage war übel. Ich wusste, dass ich über kurz oder lang nicht mehr genug Kraft haben würde, um mir diesen Mob vom Leib zu halten. Immer wieder machte einer der Männer einen Vorstoß, aber sie hatten keine Technik, fingen sich Treffer ein und zogen sich zurück. Ich tänzelte und drosch auf jeden in meiner Reichweite ein, aber ich war umzingelt und konnte nicht gewinnen. Lediglich das Schauspiel des

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