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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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sind sicher, dass er bewaffnet ist und sich zur Wehr setzen wird, wenn sie ihn verhaften wollen. Und sobald auch nur die geringste Gefahr besteht, sollen sie ihn abknallen wie einen Hund.«
    »Aber warum denn?«
    »Sie halten ihn für diesen Sapna-Typen. Sie haben einen soliden Tipp mit hieb- und stichfesten Beweisen bekommen. Sie sind ganz sicher, dass er es ist, und jetzt wollen sie ihn schnappen, heute. Vielleicht ist es schon passiert. Bei etwas so Gravierendem kennt die Polizei von Bombay keine Gnade. Ich suche schon seit zwei Stunden nach dir.«
    »Sapna? Aber das ergibt doch keinen Sinn.« Das stimmte nicht. Auf irgendeine Art ergab diese Theorie sehr wohl Sinn, aber ich verstand nicht, weshalb. Mir fehlten zu viele Teile des Bilds, und es gab so viele Fragen, die ich schon vor langer Zeit hätte stellen sollen.
    »Sinn oder nicht, es ist jedenfalls so«, sagte Kavita mit zitternder Stimme und zuckte hilflos die Achseln. »Ich habe überall nach dir gesucht. Didier hat mir dann gesagt, dass du hier bist. Ich weiß, dass Taheri ein guter Freund von dir ist.«
    »Ja, ist er«, bestätigte ich und erinnerte mich plötzlich der Tatsache, dass ich mit einer Journalistin sprach. Ich starrte auf den dunklen Teppich und versuchte irgendeine Orientierung im Sandsturm meiner Gedanken zu finden. Dann schaute ich auf. »Danke, Kavita. Ich bin dir wirklich sehr dankbar. Ich muss jetzt los.«
    »Hör mal«, sagte sie, »ich habe die Story schon durchgegeben, sofort, als ich sie gehört habe. Wenn sie in den Abendnachrichten kommt, wird die Polizei vielleicht ein bisschen zurückhaltender vorgehen. Unter uns: Ich glaube nicht, dass Abdullah Sapna ist. Ich kann mir das einfach nicht vorstellen. Ich mochte ihn immer. Eine Zeitlang war ich sogar in ihn verknallt, damals, als du ihn zum ersten Mal ins Leopold’s mitgebracht hast. Und vielleicht bin ich immer noch verknallt in ihn, yaar. Jedenfalls glaube ich nicht, dass er … diese schrecklichen Dinge getan hat.«
    Sie wandte sich ab, mit einem Lächeln für mich und Tränen für Abdullah in den Augen. Ich ging zum Tisch zurück und entschuldigte mich mit einer vagen Ausrede dafür, dass ich aufbrechen musste. Ohne Lisa zu fragen, ob sie mitkommen wolle, nahm ich ihre Handtasche von der Stuhllehne und zog ihren Stuhl zurück.
    »Aber, Lin, musst du denn wirklich schon gehen?«, rief Chandra anklagend. »Wir haben noch nicht mal über die Sache mit der Casting-Agentur gesprochen.«
    »Kennst du diesen Abdullah Taheri wirklich?«, fragte Cliff mit leicht schockiertem Unterton.
    Ich blickte ihn ungehalten an.
    »Ja.«
    »Und die entzückende Lisa nimmst du uns auch noch weg«, sagte Chandra vorwurfsvoll. »Das ist eine doppelte Enttäuschung.«
    »Von dem habe ich so viel gehört, yaar.« Cliff ließ nicht locker. »Woher kennst du ihn?«
    »Er hat mir das Leben gerettet, Cliff«, antwortete ich, etwas schroffer als beabsichtigt. »Als ich ihm zum ersten Mal begegnet bin, hat er mir das Leben gerettet, in der Haschischhöhle der Stehenden Babas.«
    Als ich Lisa die Tür aufhielt, schaute ich zurück zum Tisch. Cliff und Chandra hatten die Köpfe zusammengesteckt, damit die beiden verständnislos blickenden Mädchen nicht mithören konnten.
    Als wir draußen aufs Motorrad stiegen, erstattete ich Lisa Bericht. Sie wurde bleich, fing sich aber rasch wieder und stimmte mir zu, dass wir als Erstes ins Leopold’s fahren sollten. Vielleicht war Abdullah dort oder hatte bei jemandem eine Nachricht hinterlassen. Ich spürte, wie Lisas Angst sie umtrieb, als sie sich an mir festhielt. Wir schlängelten uns mit hohem Tempo durch den stockenden Verkehr, nach Gefühl und Impuls, so wie Abdullah es getan hätte. Im Leopold’s fanden wir lediglich Didier vor, der auf bestem Wege war, sich in den dunklen Abgrund des Vergessens zu trinken.
    »Es ist vorbei«, lallte er und goss sich Whisky aus einer großen Flasche nach. »Es ist alles vorbei. Sie haben ihn erschossen, vor fast einer Stunde. Alle reden davon. Die Moscheen in Dongri rufen zum Totengebet auf.«
    »Woher weißt du das?«, fragte ich. »Wer hat es dir gesagt?«
    »Totengebet«, murmelte er, und sein Kopf sackte nach vorn. »Was für ein lächerlicher, überflüssiger Ausdruck! Es gibt gar keine anderen Gebete. Jedes Gebet ist ein Gebet für die Toten.«
    Ich packte ihn am Hemd und schüttelte ihn. Die Kellner, die Didier alle ebenso sehr schätzten wie ich, ließen mich nicht aus den Augen.
    »Didier! Hör mir zu! Woher weißt du

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