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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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nutzen würden. Niemals hätte ich vermutet, dass sie mich gekränkt und traurig ansehen würden, als ihnen bewusst wurde, dass ich ihnen nur die einmalige Gelegenheit anbot, mit mir gemeinsam Verbrechen zu begehen. Niemals wäre ich auf den Gedanken gekommen, dass sie nicht mit Kriminellen und nicht für Kriminelle arbeiten wollten.
    Ich erinnerte mich noch deutlich an ihr starres, peinlich berührtes Lächeln und die Bestürzung in ihren Augen. Und an die Frage, die mir danach wie eine geballte Faust im Kopf zu sitzen schien: War ich von den Gefühlen und Gedanken ehrlicher anständiger Männer wirklich so weit entfernt? Die Frage ließ mir noch sechs Monate später keine Ruhe. Und die Antwort starrte mir aus den Schaufenstern der Läden entgegen, an denen wir vorübergingen.
    »Wenn das mit deinen beiden Freunden geklappt hätte«, fuhr Salman fort, »dann hätte ich dir nämlich Farid nicht an die Seite gestellt. Und ich bin verdammt froh, dass ich das getan habe. Er wirkt jetzt so viel entspannter und zufriedener als früher. Er hat dich gern, Lin.«
    »Ich hab ihn auch gern«, antwortete ich rasch und lächelte. Das entsprach der Wahrheit. Ich mochte Farid und freute mich darüber, dass wir Freunde geworden waren.
    Farid, der schüchterne, aber fähige Junge, den ich vor über drei Jahren kennen gelernt hatte, als ich zum ersten Mal an Khaders Mafia-Rat teilnahm, war zu einem harten, furchtlosen, zornigen Mann herangewachsen, dem bedingungslose Treue über alles ging. Als Johnny Cigar und Kishore mein Angebot abgelehnt hatten, stellte Salman mir Farid und den jungen Mann aus Goa, Andrew Ferreira, zur Seite. Andrew war freundlich und gesprächig, hatte sich aber nur widerstrebend aus den Reihen seiner jungen Gangsterfreunde gelöst, und wir waren uns nicht sehr nahe gekommen. Farid dagegen hatte die meisten Tage und viele Nächte Seite an Seite mit mir gearbeitet, und wir hatten uns schätzen und verstehen gelernt.
    »Er war ziemlich auf der Kippe, glaube ich, als wir nach Khaders Tod mit den Typen von Ghani aufräumen mussten«, erklärte Salman. »Das war eine ziemlich harte Nummer, wenn du dich erinnerst – wir haben alle … spezielle Sachen gemacht. Aber Farid war außer Rand und Band, und ich fing an, mir Sorgen um ihn zu machen. Manchmal muss man zulangen in unserem Gewerbe, das ist eben so. Aber wenn man anfängt, Freude daran zu haben, kriegt man ein Problem, na ? Ich musste mit ihm reden. ›Farid‹, hab ich gesagt, ›Leute zu zerstückeln, sollte nicht die erste Option sein. Das sollte ganz unten auf der Liste stehen. Und nicht mal auf derselben Seite wie die erste Option.‹ Doch er machte unbeirrt weiter damit. Dann hab ich ihn dir zugeordnet. Und jetzt, nach sechs Monaten, ist er viel ruhiger geworden. Das hat echt gut geklappt, yaar. Ich schätze mal, ich muss die ganzen Durchgeknallten in deine Obhut geben, Lin. Du kriegst sie wieder hin.«
    »Er hat sich Schuld an Khaders Tod gegeben, weil er nicht bei ihm war«, sagte ich, als wir am Kuppelgebäude der Jehangir Art Gallery vorbeikamen. Wir entdeckten eine kleine Lücke im Verkehr und überquerten rasch die Kreuzung am Regal Circle.
    »Das haben wir alle getan«, murmelte Salman, als wir vor dem Regal Cinema auf die anderen warteten.
    Es war ein kurzer Satz, der nichts Neues offenbarte, der nur wiederholte, was ich schon wusste. Doch in meinem Herzen hatte er eine Wirkung wie ein Donnerschlag. Die Last der Trauer erbebte, löste sich und brach los wie eine Lawine. Beinahe ein ganzes Jahr, bis zu diesem Augenblick, hatte mein Zorn auf Khaderbhai mich vor dem Schmerz der Trauer geschützt. Andere Männer waren in sich zusammengebrochen und hatten in ihrem Schock gewütet vor Kummer. Ich dagegen war so erzürnt gewesen über Khader, dass meine Trauer noch dort oben war, unter der Schneedecke in jenen Bergen begraben, in denen er den Tod gefunden hatte. Ich hatte ihn vermisst, und ich hatte gelitten. Und ich hasste den Khan nicht – ich hatte ihn geliebt, immer, und ich liebte ihn auch noch in diesem Augenblick, als wir vor dem Kino standen und auf unsere Freunde warteten. Doch ich hatte nicht um ihn getrauert – nicht so, wie ich um Prabaker oder Abdullah getrauert hatte. Und irgendwie hatte Salmans beiläufige Aussage, dass wir uns alle schuldig fühlten, weil wir bei Khaders Tod nicht an seiner Seite waren, die zu Eis erstarrte Trauer losgerüttelt, und nun begann der langsame unaufhaltsame Abrutsch des Schmerzes.
    »Wir sind wohl ziemlich

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