Shantaram
ihr euch vorgestellt?«, fragte ich Nasir, obwohl ich wusste, das Sanjay mir antworten würde.
»Du übernimmst die Pässe, Stempel, den ganzen Ausweiszweig, und die Führerscheine und Kreditkarten«, antwortete er rasch. »Du hast freie Hand. So wie mit Ghani. Gar kein Problem. Was du brauchst, kriegst du. Und davon bekommst du deinen Anteil – ich dachte an fünf Prozent, aber wir können darüber reden, falls dir das nicht reicht, yaar.«
»Und du kannst jederzeit an den Ratssitzungen teilnehmen«, fügte Salman hinzu. »So eine Art Beobachterstatus, wenn du weißt, was ich meine. Und, was hältst du davon?«
»Die Werkstatt müsste verlegt werden«, sagte ich. »Ich würde nicht in Ghanis Keller arbeiten können, und es wundert mich auch nicht, dass Villu und Krishna sich da gruseln.«
»Kein Problem«, sagte Sanjay lachend und schlug auf den Tisch. »Wir verkaufen das Haus sowieso. Weißt du was, Lin, mein Bruder: Dieser fette Scheißer Ghani hat diese beiden Riesenhäuser – seines und das nebenan – im Namen seines Schwagers gekauft. Na gut, Scheiße, Mann – machen wir doch alle. Aber das sind scheiß crores, Lin. Halbe Paläste, baba. Und nachdem wir den fetten Scheißer hübsch zerlegt hatten, meint doch sein Schwager, er möchte uns die Häuser nicht überschreiben. Dann wird er auch noch fies und fängt an, mit Anwälten und der Polizei zu reden. Da mussten wir ihn ein bisschen auf einen großen dubba Säure binden. Jetzt ist er auch gar nicht mehr fies. Er konnte es kaum erwarten, uns die Häuser zu überschreiben. Farid hat das erledigt. Aber er hatte so die Schnauze voll davon, wie respektlos sich Ghanis Schwager über uns geäußert hat, und er war echt sauer auf den Madachudh, weil er sich mit dem Säurefass abmühen musste und so. Er sorgt gern für klare Verhältnisse, unser Bruder Farid. Diese ganze Nummer, die Muschi über der Säure aufzuhängen, war ein bisschen – wie hast du es genannt, Salman? Wie war das Wort?«
»Stillos.«
»Ja, genau. Scheißstillos war es. Farid will, dass man ihm Respekt zollt, sonst kommt er zur Sache und nietet den Dreckskerl um, so in etwa. Weil er also so sauer ist, greift er sich auch noch das Haus des Schwagers dazu – zwingt ihn dazu, uns sein eigenes Haus zu überschreiben, weil er so ein großer Madachudh war wegen Ghanis Villen. Der Typ hat jetzt also nichts mehr, aber wir haben drei Häuser auf dem Markt anstelle von einem.«
»Es ist eine blutrünstige und gemeine Abzocke, dieses Immobiliengewerbe«, schloss Salman mit einem trockenen Lächeln. »Ich werde so bald wie möglich dafür sorgen, dass wir da reinkommen. Wir übernehmen eine der großen Maklerfirmen. Farid arbeitet schon dran. Okay, Lin, wohin sollen wir die Werkstatt verlegen, wenn du nicht in Ghanis Haus bleiben willst?«
»Nach Tardeo«, schlug ich vor. »In der Nähe der Haji Ali.«
»Wieso Tardeo?«, fragte Sanjay.
»Ich mag die Gegend. Sie ist sauber und ruhig. Und die Moschee ist in der Nähe. Ich mag die Haji-Ali-Moschee. Ich habe irgendwie eine sentimentale Beziehung dazu.«
»Thik hain, Lin«, stimmte Salman mir zu. »Tardeo wird’s werden. Wir sagen Farid, er soll sofort mit der Suche anfangen. Sonst noch irgendwelche Wünsche?«
»Ich brauche ein paar Kuriere – Männer, denen ich vertrauen kann. Die möchte ich mir selbst aussuchen.«
»An wen hast du gedacht?«, fragte Sanjay.
»Ihr kennt sie nicht. Sie gehören nicht zu uns, aber es sind zwei gute Männer. Johnny Cigar und Kishore. Ich vertraue ihnen, und ich weiß, dass ich mich auf sie verlassen kann.«
Sanjay und Salman wechselten einen Blick und sahen Nasir an, der nickte.
»Geht klar«, sagte Salman. »Noch was?«
»Eine Sache noch«, sagte ich, zu Nasir gewandt. »Ich möchte, dass Nasir mein Ansprechpartner im Rat ist. Wenn es irgendein Problem geben sollte, will ich zuerst mit ihm reden.«
Nasir nickte wieder, mit einem kleinen Lächeln in der Tiefe seiner Augen.
Ich besiegelte die Abmachung durch Handschlag mit jedem der drei Männer. Die drei verhielten sich dabei so förmlich und feierlich, dass ich mir ein Lachen verkneifen musste. In diesem Austausch, in ihrer Ernsthaftigkeit und meinem aufsässigen Bedürfnis, zu lachen, traten unsere Unterschiede zutage. Ich mochte Salman, Sanjay und die anderen – und Nasir, dem ich mein Leben verdankte, liebte ich –, doch für mich war die Mafia ein Mittel zum Zweck, kein Lebensinhalt. Für diese Männer stellte die Mafia ihre Familie dar, eine
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