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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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sitzt. Das war voll die Party, kann ich euch sagen. Aber wenn man hier so was aufziehen würde – das würde keine fünf Minuten gut gehen. Weil die Typen in Indien mit so was nicht umgehen können. Das sind solche chutias, yaar. Die würden doch nur rumfluchen und allen möglichen Schweinkram ablassen, diese kindischen Wichser. Da könnt ihr sagen, was ihr wollt – das würde niemals gut gehen. In Kopenhagen waren die Leute viel cooler, und wir haben hier noch einen verdammt weiten Weg vor uns, bis wir die auf der Coolheits-Skala eingeholt haben.«
    »Ich finde schon, dass es besser wird«, wandte Ulla ein. »Ich habe das Gefühl, dass Indien eine gute Zukunft hat, ja, ich bin mir sogar sicher, dass alles gut wird – also, besser als jetzt, dass viele Leute viel besser leben werden.«
    Wir blickten sie alle mit großen Augen an. Keiner sagte etwas. Jeder war verblüfft, eine solche Aussage aus dem Mund einer jungen Frau zu hören, die ihr Geld als Sexspielzeug jener Inder verdiente, die genug Geld hatten, um sie auszubeuten. Sie wurde benutzt und ausgenutzt, und ich für mein Teil hatte erwartet, dass sie weit zynischer sei. Der Optimismus ist direkt verwandt mit der Liebe und gleicht ihr in drei Punkten vollkommen: Er ist aufdringlich, hat keinen Humor und taucht dann auf, wenn man ihn am wenigsten erwartet.
    »Nein, wirklich, meine liebe dumme Ulla, nichts verändert sich auch nur das kleinste bisschen«, sagte Didier mit verächtlicher Miene. »Wenn du möchtest, dass deine Güte dir im Hals stecken bleibt und dein Mitgefühl sich in Verachtung verwandelt, solltest du dir einen Job als Kellnerin oder Putzkraft suchen. Denn nichts sorgt schneller dafür, dass du an der Bestimmung unserer Rasse zweifeln und die Menschheit zuverlässig verabscheuen lernst, als wenn du derselben Essen servieren oder hinter ihr herputzen musst, und zwar für den Mindestlohn. Ich habe beides gemacht, in jener schrecklichen Zeit, als ich für mein Geld noch arbeiten musste. Es war widerwärtig. Mir graut heute noch, wenn ich daran denke. Damals habe ich begriffen, dass sich nichts und niemand jemals wirklich verändert. Und ehrlich gesagt, bin ich auch froh darüber. In einer besseren – aber auch in einer noch schlechteren – Welt würde ich kein Geld verdienen.«
    »Schwachsinn«, verkündete Lettie. »Das Leben kann sehr wohl besser werden – und noch um Klassen schlechter. Frag die Menschen in den Slums. Die wissen nur zu gut, wie viel schlechter alles werden kann. Stimmt doch, Karla, oder?«
    Wir wandten uns Karla zu. Sie drehte mit ihrem schlanken Zeigefinger gedankenverloren ihre Tasse auf dem Unterteller.
    »Ich glaube, dass wir uns unsere Zukunft verdienen müssen, jeder einzelne von uns«, sagte sie dann langsam. »Ich glaube, mit der Zukunft ist es so wie mit allen anderen wichtigen Dingen: Man muss sie verdienen. Wenn wir das nicht tun, haben wir keine Zukunft. Und wenn wir uns die Zukunft nicht verdienen, wenn sie uns also nicht zusteht, müssen wir mehr oder weniger für immer in der Gegenwart leben. Oder, schlimmer noch, in der Vergangenheit. Wahrscheinlich ist auch die Liebe nichts anderes als ein Weg, sich die Zukunft zu verdienen.«
    »Also, ich stimme Didier zu«, erklärte Maurizio und beendete seine Mahlzeit mit einem Glas Eiswasser. »Mir gefällt das Leben, wie es ist, und ich bin zufrieden, wenn sich nichts verändert.«
    »Und wie steht’s mit dir?«, fragte Karla.
    »Wie steht was mit mir?« Ich lächelte.
    »Wenn du für eine begrenzte Zeit glücklich sein könntest, richtig glücklich, aber von Anfang an wüsstest, dass danach Traurigkeit und Schmerz auf dich warten: würdest du dich für das Glück entscheiden oder ihm aus dem Weg gehen?«
    Die Frage und die geballte Aufmerksamkeit verunsicherten mich, und ich fühlte mich recht unbehaglich in der erwartungsvollen Stille, die nun eintrat. Ich hatte den Eindruck, dass Karla diese Frage nicht zum ersten Mal stellte und dass sie eine Art Test war. Vielleicht hatten die anderen am Tisch sie auch schon zu hören bekommen und bereits beantwortet. Und warteten nun gespannt darauf, was ich sagen würde. Ich war mir nicht sicher, was Karla von mir hören wollte, aber mein Leben hatte ihre Frage ohnehin schon beantwortet. Ich hatte mich entschieden, indem ich aus dem Gefängnis ausgebrochen war.
    »Ich würde mich für das Glück entscheiden«, sagte ich und wurde von Karla mit einem anerkennenden und vielleicht auch amüsierten Lächeln belohnt.
    »Ich

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