Shantaram
nach drei Wochen musste ich mir noch dieses verdammte Handtuch umbinden. Egal, wie oft ich hingegangen bin, sobald ich diese hüpfenden Möpse gesehen hab, hoch-runter, hin und her, hab ich sofort einen Steifen gekriegt. Ich bin einfach zu indisch für so einen Laden.«
»Deshalb hast du das Handtuch ja umgebunden«, bemerkte Maurizio. »Immerhin musstest du dich nicht umstellen. Bei indischen Frauen darfst du ja nicht mal beim Vögeln nackt sein.«
»Na ja, immer stimmt das nicht«, widersprach Vikram. »Außerdem sind hier in Indien wir Typen das Problem. Die indischen Frauen würden sich ja durchaus verändern. Die indischen Mittelklasse-Mädels sind sogar ganz scharf auf Veränderung, yaar. Sie sind gebildet. Und sie sind zu allem bereit: kurze Haare – kurze Röcke – kurze Affären. Nur wir Typen bremsen sie aus. Der durchschnittliche Inder hat die sexuelle Reife eines Vierzehnjährigen.«
»Wem sagst du das«, murmelte Lettie.
Unterdessen war Kavita Singh an unseren Tisch gekommen. Sie hatte bereits hinter Vikram gestanden, als er seine Bemerkungen über die indischen Frauen machte. Mit ihren kurzen Haaren, den Jeans und ihrem weißen Sweatshirt mit dem Emblem der New York University war sie der Inbegriff, die Verkörperung des gebildeten, modernen Mittelklasse-Mädchens, von dem Vikram gesprochen hatte. Da stand sie, lebender Beweis seiner Theorie.
»Du bist so ein chudd, Vikkie«, sagte sie und setzte sich zu meiner Rechten, ihm gegenüber. »Da sitzt du hier und schwingst große Reden. Aber eigentlich bist du kein Deut besser als die anderen. Fass dich mal an die eigene Nase – wie du deine eigene Schwester behandelst, wenn sie es wagt, Jeans und einen engen Pullover anzuziehen …«
»Hey, ich hab ihr diesen engen Pullover selbst gekauft, okay? Letztes Jahr in London!«, protestierte Vikram.
»Trotzdem hast du ihr die Hölle heißgemacht, als sie ihn zum Jazz-Yatra angezogen hat, na ?«
»Wie konnte ich denn ahnen, dass sie den Pulli außerhalb der Wohnung anziehen würde!«, konterte er lahm, was ihm den Spott und das Gelächter der gesamten Gruppe eintrug. Vikram selbst lachte am lautesten.
Vikram Patel war durchschnittlich groß und durchschnittlich gebaut, aber damit hörte seine Durchschnittlichkeit auch schon auf. Seine dichten schwarzen Locken umrahmten ein schönes, intelligentes Gesicht. Seine lebhaft leuchtenden hellbraunen Augen über der langen Adlernase und dem exakt geschnittenen Schnauzer blickten selbstbewusst in die Welt. Er war ganz in Schwarz gekleidet – Cowboystiefel, Jeans, Hemd und Lederweste –, und ein flacher schwarzer Flamenco-Hut an einer Lederschnur hing ihm auf dem Rücken. Die Bolo-Tie, die Gürtelschnalle aus Dollarmünzen und das Hutband waren aus Silber. Er sah aus wie der Held in einem Italo-Western, und genau daran war sein Kleidungsstil auch orientiert. Vikram war geradezu besessen von Sergio Leones Filmen Spiel mir das Lied vom Tod und Zwei glorreiche Halunken. Später, als ich ihn besser kannte, als ich miterlebte, wie er das Herz der Frau eroberte, die er liebte, und wir Seite an Seite gegen die Feinde kämpften, die mir nach dem Leben trachteten, merkte ich, dass er tatsächlich ein Held war und es mit jedem seiner verehrten Revolverhelden hätte aufnehmen können.
Bei dieser ersten Begegnung beeindruckte er mich durch die Leichtigkeit und die Stilsicherheit, mit der er seinen Cowboytraum auslebte. Vikram gehört zu den Männern, die sich nicht so leicht das Hemd ausziehen lassen, hat Karla einmal gesagt. Es war ein liebevoller Scherz, den wir alle verstanden, aber er hatte auch einen leicht verächtlichen Unterton. Ich lachte nicht mit, als sie das sagte. Menschen wie Vikram, Menschen, die eine Marotte mit Stil leben, nehmen mich immer für sich ein, denn ihre Ehrlichkeit spricht mein Herz direkt an.
»Nee, echt!«, insistierte Vikram. »In Kopenhagen gibt es so einen Club, einen Telefonclub. Da stehen überall Tische, yaar, und jeder Tisch hat eine rote Leuchtanzeige mit einer Nummer. Wenn man an Tisch zwölf jetzt jemand Interessanten sieht, so ein richtig heißes Mädel, dann wählt man einfach die Zwölf und redet mit ihr. Das ist echt der Hammer, dieses System, Mann. Meist weißt du gar nicht, wer dich da grade anruft – oder das Mädel hat keine Ahnung, wer du bist. Und dann unterhältst du dich eine Stunde lang und versuchst rauszukriegen, wer mit dir redet, weil ja alle gleichzeitig reden. Irgendwann verrätst du dann, an welchem Tisch du
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