Shantaram
rotgelben Uniformen mit federbesetzten großen Hüten ihre Lieder einstudierten. Sie erachteten unsere kleine Prozession offenbar als günstige Gelegenheit, ihren Auftritt im Gehen zu proben, schlossen sich uns an und spielten eine schwungvolle, wenn auch nicht sonderlich melodiöse Version eines beliebten heiligen Liedes. Angelockt von dem Spektakel, zu dem unsere Schmuggelaktion geworden war, verließen ausgelassene Kinder und fromme Erwachsene den Fußweg und gesellten sich zu uns, worauf unser Chor sich auf an die hundert Seelen vermehrte.
Kano, den die vielen Menschen und der Radau zweifellos beunruhigten, drehte ständig den Kopf hin und her, um die lautesten Geräusche zu orten. Einmal kamen wir an einer Gruppe Polizisten auf Streife vorbei, und als ich einen raschen Blick auf sie riskierte, sah ich, wie sie stocksteif dastanden und uns mit offenem Mund nachblickten, wobei sie etwa so intelligent wirkten wie Schießbudenfiguren.
Nachdem wir diesen ohrenbetäubenden Tumult eine Weile ertragen hatten, waren wir nahe genug am Nariman Point, um den Turm des Oberoi Hotels zu erkennen. Beunruhigt ob der Vorstellung, dass uns die Hochzeitskapelle weiterhin verfolgen würde, lief ich nach hinten zu den Musikern, drückte dem Bandleader ein Bündel Scheine in die Hand und wies ihn an, mit seinem Orchester am Marine Drive nach rechts abzubiegen, was er dann auch tat, als wir uns dem Meer näherten. Offenbar durch unsere kleine Parade animiert, stimmten die Musiker nun ein Medley von Tanzhits an, als sie die heller erleuchtete Uferpromenade entlangmarschierten, und der Großteil unserer Gefolgschaft schloss sich ihnen hüpfend und tanzend an. Auch die Hunde, die merkten, dass sie sich zu weit von ihren üblichen Revieren entfernt hatten, drehten ab und schlichen sich in die wüsten Schatten zurück, aus denen sie hervorgekrochen waren.
Wir schoben den Bärenkarren weiter die Straße entlang auf die verlassene Stelle zu, wo der Lastwagen wartete, als wir plötzlich ein Hupen vernahmen. Mir fuhr der Schreck in die Glieder, und ich drehte mich langsam um. Doch statt der Polizei erblickte ich Abdullah, Salman, Sanjay und Farid, die auf einem riesigen leeren Schotterplatz um Salmans Auto herumstanden.
»Kommst du klar, Johnny?«, fragte ich. »Schaffst du es von hier aus alleine?«
»Kein Problem, Lin«, antwortete er. »Der Laster ist gleich da vorne, siehst du? Wir schaffen es.«
»Okay, dann verziehe ich mich mal, Mann. Erzähl mir, wie alles gelaufen ist. Wir sehen uns morgen. Und hey, vergiss nicht, mir einen von diesen Steckbriefen zu beschaffen, Bruder!«
»Wird gemacht«, erwiderte er lachend.
Ich überquerte die Straße und gesellte mich zu Salman, Abdullah und den anderen. Sie hatten sich bei einer der Imbissbuden an der Küstenmauer Essen geholt, und Farid fegte nun die Überreste und Verpackungen vom Autodach auf den Boden. Wie jeder umweltbewusste Mensch der westlichen Welt zuckte ich innerlich zusammen, als ich das sah, hielt mir dann aber vor Augen, dass Lumpensammler, die von solchen Überresten lebten, sie sich holen würden.
»Was zum Teufel hattest du bei dieser Parade zu suchen?«, fragte mich Sanjay, als wir uns alle begrüßt hatten.
»Lange Geschichte«, antwortete ich grinsend.
»Ein verdammt unheimlicher Ganpatti war das«, sagte er. »So was hab ich noch nie gesehen. Er sah so echt aus. Als würde er sich bewegen. Mir war ganz heilig zumute. Ich sag’s dir, Mann, wenn ich heimkomme, werd ich irgendeinem Bahinchudh Geld geben, damit er Räucherwerk für mich anzündet.«
»Komm schon, Lin«, drängte Salman. »Was war da los?«
»Na ja«, antwortete ich widerstrebend, »wir mussten einen Bär aus dem Slum hierher schmuggeln, weil die Cops ihn steckbrieflich suchen und verhaften wollen.«
»Ihr musstet was schmuggeln?«, fragte Farid höflich.
»Einen Bär.«
»Was … für eine Art von Bär?«
»Einen Tanzbär natürlich«, antwortete ich pikiert.
»Weißt du, Lin«, verkündete Sanjay grinsend, während er mit einem Zahnstocher sein Gebiss reinigte, »du machst echt abgedrehtes Zeug.«
»War es vielleicht mein Bär?«, erkundigte sich Abdullah, schlagartig interessiert.
»Ja, verflucht. Im Grunde hast du mir das alles eingebrockt.«
»Was meinst du mit ›mein Bär‹?«, wollte Salman nun wissen.
»Ich habe diesen Bär ausgesucht und zu Lin geschickt«, erklärte Abdullah. »Vor langer Zeit.«
»Warum?«
»Nun, weil er ihn umarmen sollte«, sagte Abdullah lachend.
»Sei
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