Shaolin - Du musst nicht kämpfen, um zu siegen!: Mit der Kraft des Denkens zu Ruhe, Klarheit und innerer Stärke
Diener. »Sag ihm, er hat hier nichts zu suchen.« Der Diener gab die Karte mit Entschuldigung zurück. »Das war mein Irrtum«, sagte der Statthalter, und mit einem Bleistift strich er die Worte »Statthalter von Kioto« aus. »Frag deinen Lehrer noch einmal.« »Oh, ist das Kitagaki?«, rief der Lehrer, als er die Karte sah. »Den möchte ich sehen.«
Ich erinnere mich noch gut, wie mir einmal meine Großmutter den Unterschied zwischen den eingebildeten, wenig erfolgreichen Menschen des Landes A und den sehr erfolgreichen, aber dafür weniger eingebildeten Menschen des Landes B erklärt hat.
»Wenn in Land A«, so führte sie aus, »am Boden ein Fleck aufzuwischen ist, dann ruft der Chef seine Sekretärin an, die dann dem Assistenten sagt, dass er die Reinigungskraft holen soll. Vier Personen sind durch diese eine Aktion gebunden.
Beim selben Fleck im Land B tauscht der Chef sein Sakko mit einem weißen Mantel, wischt den Fleck auf, zieht sein Jackett an und ist wieder Chef.«
Der Kranich und die Schlange
Wer als Novize ins Shaolin-Kloster kommt, beginnt nicht mit dem Training der Kampfkunst.
Zuerst muss er bei bewusst niedrigen Verrichtungen lernen, seinen Stolz zu verlieren. Denn auch in den Kampftechniken von Shaolin spielt das Prinzip des Nachgebens eine bedeutende Rolle. So erzählt man sich, dass eines Tages ein Mönch einen Kranich beobachtete, als dieser gerade mit einer Schlange kämpfte. Der Vogel hackt in schnellem Rhythmus nach der Schlange, ohne sie aber zu erwischen. Diese schnappt nicht zurück, macht auch keine Drohgebärden, sondern weicht mit langsamen, geschmeidigen Bewegungen den Angriffen aus. Der Kranich gibt erschöpft auf und sucht das Weite. Der Mönch sieht in diesem Kampf die alte Idee bestätigt, dass das Weiche das Harte, das Nachgeben den Angriff besiegt. Er entwickelt aus diesem Prinzip des Gegensatzes eine Kampfform, die später als Taijiquan berühmt werden wird.
Lass den Gegner sich selbst besiegen
Stellen Sie sich bitte einmal die folgende Situation vor: Der Abteilungsleiter Ihres Unternehmens ist eine bekannt aggressive Person, vor der sich alle Kollegen fürchten. Er beginnt bei der kleinsten Kleinigkeit zu schreien und macht seine Untergebenen bei jeder Gelegenheit herunter. Da aber die Ergebnisse seiner Abteilung den Erwartungen der Geschäftsleitung entsprechen, ist man dort der Meinung, es mit einem umgänglichen Mitarbeiter und guten Vorgesetzten zu tun zu haben. Trotzdem verspricht die Geschäftsleitung aber, bei einem konkreten Anlass Konsequenzen zu ziehen.
Wenn nun das nächste Mal ebenjener Chef völlig ungerechtfertigt zu schreien beginnt, können Sie auf zwei Arten reagieren. Zum einen mit Verteidigung. Sie brüllen zurück und erklären, was er für ein Idiot sei. Auch wenn Sie eigentlich im Recht sind, könnte diese Sache für Sie böse enden, schließlich haben Sie Ihren Vorgesetzten angeschrien bzw. sich mit ihm auf eine Ebene der Aggression gestellt. Besser ist es, Sie bleiben einfach ruhig. Auch wenn es Ihnen im Moment schwerfällt. Wichtig ist, dass der Chef eine offensichtlich friedfertige, gelassene Person anschreit. Und dass der vorbeikommende Vorgesetzte Ihres Chefs genau diese Situation sieht bzw. sie ihm von Kollegen mitgeteilt wird.
Das Shaolin-Prinzip lehrt uns, dass das Weiche das Harte besiegt. Nachgeben ist eine Form der Verteidigung und gleichzeitig ein Angriff, den der Gegner gegen sich selbst führt.
Die Schachpartie
Jungen Mönchen, welche die Geisteshaltung der Nachahmung erlernen sollen, erzählt man in Shaolin die Geschichte eines jungen Mannes, der sich in ein Zen-Kloster begab. Er erklärte dem Meister: »Ich suche Befreiung, doch ich habe nicht die Ausdauer, irgendetwas lange durchzuhalten. Niemals könnte ich Jahre der Meditation und strenger Zucht ertragen. Gibt es auch für jemanden wie mich einen Weg zur Erleuchtung?«
»Es gibt einen«, sagte der Meister. »Worauf hast du dich in deinem bisherigen Leben am meisten konzentriert?«
Der junge Mann dachte nach. »Eigentlich gibt es nur eine Sache, die mich wirklich interessiert hat. Es ist das Schachspiel. Damit verbrachte ich die meiste Zeit.«
»Gut«, sagte der Meister und ließ nach einem alten erfahrenen Mönch rufen, der ein guter Schachspieler war. Der Mönch kam mit einem Schachspiel unter dem Arm, und der Meister hieß ihn, die Figuren aufzustellen.
Dann sagte er mit seiner ganzen Autorität und indem er ein Schwert zog: »Ihr werdet jetzt eine Partie Schach
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