Shaolin - Du musst nicht kämpfen, um zu siegen!: Mit der Kraft des Denkens zu Ruhe, Klarheit und innerer Stärke
Experten wählen, Sie werden also alles daransetzen, meine Unkenntnis sichtbar zu machen.
Mitten im Gespräch werde ich dann plötzlich sagen: »Da gibt es doch diesen ganz berühmten Mann, der in genau dieser Sache diesen so entscheidenden Satz gesagt hat. Mir fällt jetzt nicht ein, wer das ist …« So es einen solchen Satz und einen solchen Mann gibt, werden Sie mir unverzüglich die Antwort präsentieren und sich im Geiste bereits einen Punkt gutschreiben.
Mein Fehler könnte jetzt darin bestehen, zu sagen: »Ja genau, den habe ich gemeint.« Das Publikum und Sie wüssten beide, dass ich keine Ahnung habe und das jetzt nur sage, um nicht als ganz dumm dazustehen. Mein Angriff wäre also sowohl sinnlos gewesen als auch gegen mich selbst gegangen.
»Gib vor, schwach zu sein, damit der Feind überheblich wird«, schreibt Sunzi in der Kunst des Krieges.
Sage ich aber: »Nein, den kenne ich eh, das ist schon klar. Da gibt es einen anderen, noch viel berühmteren, wie heißt der jetzt schnell …«, habe ich gewonnen. Natürlich gibt es weder einen zweiten Mann noch einen zweiten Satz. Aber das wissen weder Sie noch das Publikum. Beide halten Sie mich jetzt für den Spezialisten, da Sie ja nicht einmal diesen ganz berühmten Professor kennen. Ganz abgesehen davon, dass ich Sie verunsichert habe. Die »Was weiß der Stümper, das ich nicht weiß? Und vor allem: Wer könnte das sein?«-Gedanken werden Ihre Kampfkraft erheblich schwächen.
Eine wichtige Spielart des vorgetäuschten Nachgebens ist das »vermeintliche Unterlegensein«.
Taktisch »siegen« lassen
Menschen sind so gierig auf die Idee, andere zu besiegen, dass sie mit Ausblick auf diese Möglichkeit alles rundherum vergessen. So zum Beispiel bei Versteigerungen. Ich habe von Leuten gehört, die gebrauchte Gegenstände, die sie gar nicht benötigen, ersteigert haben, zu Preisen, die weit über dem Neuwert lagen. Nur nicht nachgeben.
Aber es geht noch besser. »Wie wäre es mit, sagen wir einmal, drei Prozent Rabatt? Das ist Ihnen zu wenig? Also mehr als fünf Prozent kann ich Ihnen aber nicht geben. Mit zehn Prozent Ermäßigung würden Sie es sofort kaufen? Nein, natürlich kann ich es mir nicht leisten, einen Kunden wie Sie zu verlieren. Ist in Ordnung. Soll ich es einpacken?« Dass Sie bei mir auch mit zwanzig Prozent Rabatt noch teurer gekauft hätten als im Laden nebenan ohne irgendeine Ermäßigung, ist Ihnen in der Hitze des Gefechts entgangen. Und trotzdem haben Sie einen vermeintlichen Sieg davongetragen.
Meiner war insofern echt, als ich das Ding zum ursprünglichen Preis ohnehin nie angebracht hätte. Schließlich war da ja schon Ihr Rabatt eingerechnet.
Ich habe einmal von einem Süßwarenladen in Amerika gehört, der eines Tages von einer großen Supermarkt-Kette verdrängt wurde. Obwohl auch der neue Eigentümer die Preise nicht verändert hatte, blieben die Kinder als ehemalige Hauptkunden plötzlich aus. Nach dem Grund befragt, gaben sie an, in dem kleinen Laden einfach mehr für ihr Geld bekommen zu haben. Tatsächlich hatte der Besitzer des Bonbon-Geschäfts vor dem Wiegen immer etwas weniger in die Säckchen getan und dann noch etwas dazugegeben, die Verkäuferin im Supermarkt tat das genaue Gegenteil und musste wieder etwas aus dem Tütchen herausnehmen. Auch wenn Grafiker im Auftrag etwas gestalten, bauen sie oft einen kleinen Fehler ein. Der ist so offensichtlich, dass er dem Auftraggeber sofort auffällt. Sie geben dem Kunden damit das Gefühl, selbst der »großen« Agentur noch etwas erzählen zu können und sogar den Profis überlegen zu sein.
Das Shaolin-Prinzip lehrt uns, unseren Gegnern immer die Möglichkeit für einen vermeintlichen Sieg zu geben. Oder wie es Sunzi ausdrückt:
»Lasse ein Schlupfloch frei, wenn du eine Armee umzingelst. Das bedeutet nicht, dass es dem Feind erlaubt wird, zu fliehen. Der Grund ist, ihn glauben zu machen, dass es einen Weg in die Sicherheit gibt, um ihn daran zu hindern, mit dem Mut der Verzweiflung zu kämpfen.«
Was viele Menschen in unserer Gesellschaft blind macht für die wahren Absichten ihrer Gegner, ist ihr eigener Stolz. Keichu, so erzählt man sich, ein großer Lehrer des Zen, war der Vorstand einer Kathedrale in Kioto. Eines Tages meldete sich der Statthalter von Kioto zum ersten Mal bei ihm an. Sein Diener überreichte ihm die Karte des Statthalters, auf der stand: Kitagaki, Statthalter von Kioto. »Ich habe mit so einem Kerl nichts zu schaffen«, sagte Keichu zu seinem
Weitere Kostenlose Bücher