Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
Vom Netzwerk:
»dann werden wir diese Auswege und unsicheren Methoden fallenlassen. O Shardik, unser Herr, gib uns noch einen Sieg! Dann machen wir mit dem Sklavenhandel Schluß, und ich werde die Möglichkeit haben, nichts als deine Wahrheit zu suchen.« Manchmal stiegen ihm bei dem Gedanken an diesen großen Tag die Tränen so leicht in die Augen wie einem versklavten Kind bei der Erinnerung an sein Elternhaus.
     

27. Zeldas Rat
     
    Kelderek blickte sich in der düsteren, höhlenartigen Halle um – einem so finsteren und barbarischen Bluttempel, wie er nur je die Trophäen der Tyrannei beherbergt hatte. Da nur wenig Licht von oben eindrang, brannten dauernd Fackeln, die in Eisenhaltern steckten und die Ziegelmauern und Steinsäulen mit unregelmäßigen, kegelförmigen schwarzen Streifen färbten. Die dicken, gelben Flammen loderten in der reglosen Luft träge wie große, in der winterlich aufgewühlten Erde aufgestörte Regenwürmer hierhin und dorthin. Dann und wann flammte eine Spur Harz seitlich auf, oder ein Holzknoten explodierte krachend. Der zum Dach steigende Rauch, dessen Kiefernduft sich mit dem Bärengeruch vermengte, wirkte wie sichtbar gemachtes Strohknistern. Zwischen den Fackelhaltern waren Rüstungsteile an den Mauern aufgehängt – Kurzschwerter und Helme mit Ohrenschutz aus Belishba, die runden Lederschilde der Söldner aus Deelguy und die Speere mit Spitze und Kugel, die Santil-ke-Erketlis als erster aus Yelda nach Norden gebracht hatte. Hier hing auch das zerfetzte und blutige Banner des Kelchs von Deparioth, das Ged-la-Dan vor zwei Jahren in der Schlacht von Sarkid selbst erbeutet hatte, als er sich an der Spitze von zwölf Gefolgsleuten, von denen keiner am Ende der Schlacht unverwundet geblieben war, einen Weg durch den feindlichen Palisadenzaun hieb. Das Canathron aus Lapan mit seinem Schlangenkopf und den zum Niederstoßen gewölbten Kondorflügeln stand dort bekränzt mit Rebenranken und roten Blüten, denn es war als erzwungene (obgleich zweifelhafte) Sicherheit für die Loyalität Lapans von Priestergeiseln nach Bekla gebracht worden, denen gestattet wurde, ihre Riten in gemilderter Form fortzusetzen. An der anderen Wand hingen die vom Fackellicht beleuchteten gelben und gewölbten Schädel von Shardiks Feinden. Sie unterschieden sich nur wenig voneinander, außer in der Form der grinsenden Zähne; einige waren allerdings gesprungen wie alter Mörtel, und einer hatte kein Gesicht, nur Splitter rund um ein gähnendes Loch von der Stirn zum Kinn. Die Schatten ihrer Augenhöhlen bewegten sich im Fackelschein, doch Kelderek achtete schon längst nicht mehr auf diese unbestatteten Überreste. Auf ihn wirkte die Schaustellung langweilig – sie war nicht mehr als ein Beschwichtigungsmittel für die Eitelkeit untergeordneter Anführer im Feld, von denen der eine oder andere dann und wann behauptete, sie hätten Feinde von Rang getötet und verdienten daher die Ehre, Shardik die Schädel darzubringen. Die Mädchen pflegten sie eifrig, ölten und befestigten sie mit Draht, wie sie es früher mit den Hacken auf den Terrassen in Quiso gemacht hatten. Doch trotz aller angesammelten Erinnerungen an diesen und jenen Sieg (dachte Kelderek, langsam durch die Halle schreitend, als er sich beim Geräusch eines plötzlichen Falls hinter den Stangen umwandte) war der Saal noch immer so wie früher – unordentlich, provisorisch, eher ein Speicher als eine geheiligte Stätte; vielleicht weil das Leben der Stadt das eines Stützpunktes hinter einer Armee, einer Gesellschaft mit zu wenig jungen Männern und zu vielen einsamen Frauen geworden war. War Shardik nicht zwischen den scharlachroten Trepsisblüten bei dem Teich und im trockenen, dämmerlichtigen Wald, wo er selbst zum erstenmal vor ihn hingetreten war, um ihm sein Leben darzubieten, besser gehuldigt worden?
    »Wenn ein Fisch gefangen ist und im Netz liegt«, dachte er, »sieht man, wie der Glanz langsam aus seinen Schuppen schwindet. Und doch – wie denn sollte man den Fisch essen?«
    Er wandte sich nochmals um, diesmal, weil sich Schritte im Korridor näherten. Der Gong beim Pfauentor hatte vor kurzem die zehnte Stunde geschlagen, und er hatte Ged-la-Dans Ankunft nicht so früh erwartet. Zilthe kam in die Halle – sie war älter geworden, aber noch schlank – mit schnellem, leichtem Schritt. Sie hob die Hand an die Stirn mit freundlichem Lächeln. Von allen Mädchen, die aus Quiso gekommen waren oder seither in Shardiks Dienst getreten waren, besaß Zilthe

Weitere Kostenlose Bücher