Shardik
allein Grazie und ein frohes Gemüt, und Keldereks düstere Stimmung besserte sich, als er ihr Lächeln erwiderte.
»Ist Ged-la-Dan, der Herr, so früh gekommen?«
»Nein, Herr«, antwortete das Mädchen. »Es ist General Zelda, der Euch zu sprechen wünscht. Er hoffe, die Zeit sei Euch genehm, sagt er, denn er müsse bald mit Euch sprechen. Ich glaube, er will Euch sehen, bevor General Ged-la-Dan eintrifft.«
»Ich werde zu ihm hinausgehen«, sagte Kelderek. »Wache bei unserem Herrn Shardik – du oder jemand anders. Er soll nicht allein bleiben.«
»Ich werde ihn füttern, Herr – es ist an der Zeit.«
»Dann leg das Futter in die Felsenhöhle. Wenn er für eine Weile dort hinausgeht, desto besser.«
Zelda wartete, zum Schutz gegen die kühle Brise eng in seinen dunkelroten Mantel gehüllt, auf der Sonnenterrasse, welche an der Südseite der Halle entlanglief. Kelderek trat zu ihm, und sie gingen zusammen durch die Gärten auf die zwischen dem Hakensee und dem Leopardenhügel liegenden Felder.
»Du hast bei unserem Herrn Shardik gewacht?« fragte Zelda.
»Mehrere Stunden. Er ist unruhig und reizbar.«
»Du sprichst von ihm wie von einem kranken Kind.«
»Zu solchen Zeiten behandeln wir ihn auch so. Vielleicht ist es nichts – aber ich wäre gern sicher, daß er nicht krank ist.«
»Vielleicht – wäre es möglich – « Zelda brach ab und sagte dann nur noch: »Viele Krankheiten verschwinden, wenn der Sommer kommt. Er wird sich bald besser fühlen.«
Sie bogen um das Westufer des Hakensees und überquerten den dahinterliegenden Weidehang. Vor ihnen lag, etwa einen Kilometer entfernt, der Teil der Stadtmauer, der bergauf führte und die Ostspitze des Crandor umgab.
»Wer ist der Mann, der dort auf uns zukommt?« fragte Zelda, auf ihn weisend.
Kelderek blickte hin. »Ein Adeliger – ein Fremder. Muß einer von den Provinzabgesandten sein.«
»Er sieht aus, als käme er aus dem Süden – zu stutzerhaft für eine Nord- oder Westprovinz. Ich möchte wissen, warum er allein hier umhergeht.«
»Das darf er, wenn er es wünscht, nehme ich an. Viele Stadtbesucher sagen gern nachher, daß sie rund um die ganze Stadtmauer gegangen sind.«
Der Fremde kam näher, verneigte sich höflich mit einem etwas gezierten Schwenken seines Pelzmantels und ging vorbei.
»Kennst du ihn?« fragte Zelda.
»Elleroth, der Statthalter von Sarkid – ein Mann, über den ich ziemlich viel in Erfahrung gebracht habe.«
»Warum? Ist er nicht zuverlässig?«
»Vielleicht – vielleicht auch nicht. Merkwürdig, daß er selbst als Delegierter gekommen ist. Er nahm mit Erketlis an den Sklavenkriegen teil – seinerzeit war er ein bekannter Heldro. Es besteht kein besonderer Grund, weshalb er seine Ansichten geändert haben sollte, aber mir wurde doch geraten, ihn lieber in Ruhe zu lassen, als zu versuchen, ihn loszuwerden. Er genießt bei seinen Leuten viel Einfluß und Ansehen und hat uns, soviel ich weiß, nie irgendwie geschadet.«
»Aber hat er uns geholfen?«
»Lapan ist so heftig umkämpft worden, daß sich das schwer sagen läßt. Wenn ein lokaler Herrscher dafür sorgt, mit beiden Seiten gut zu stehen – wer kann ihm das übelnehmen? Es ist nichts Nachteiliges bekannt, es sei denn aus seiner Vergangenheit, der Zeit, bevor wir kamen.«
»Nun, wir werden ja sehen, was er uns bei der Ratssitzung zu bieten hat.«
Zelda schien immer noch zu zögern, ehe er von dem sprach, was ihn veranlaßt hatte, Kelderek aufzusuchen, und nach einer Weile sagte Kelderek:
»Da wir von den Delegierten sprechen, sollte ich noch einen anderen erwähnen – den Mann, den du vor kurzem zum Gouverneur von Kabin ernannt hast.«
»Mollo? Was ist mit ihm? Übrigens, der Mann starrt uns nach – ich möchte wissen, warum.«
»Es ist nicht ungewöhnlich, daß Fremde mir nachbücken«, antwortete Kelderek leicht lächelnd. »Daran bin ich schon gewöhnt.«
»Ja, sicher wird es das sein. Nun, was ist mit Mollo? S’marr Torruin von den Vorbergen hat ihn mir empfohlen – er sagte, er kenne ihn seit Jahren. Er scheint ein vortrefflicher Mann zu sein.«
»Ich habe erfahren, daß er bis vor kurzem ein Provinzgouverneur in Deelguy war.«
»In Deelguy? Warum ging er fort?«
»Eben. Um sein Erbe, einen kleinen Grundbesitz in Kabin, zu übernehmen? Das möchte ich fast bezweifeln. Unsere derzeitigen Beziehungen zu Deelguy sind gespannt und schwierig – wir wissen nicht, was sie vielleicht vorhaben. Ich frage mich, ob wir die Ernennung Mollos
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