Sharon: die Frau, die zweimal starb
unter der Bedingung, dass sie nach ihm benannt würden und dass er bei der Personalpolitik mitzureden hätte. Er gab luxuriöse Bälle, um Geld für die Oper, das Ballett, das Symphonieorchester aufzutreiben.
Die ganze Zeit über sammelte er einen Harem: Schauspielerinnen, Erbinnen, Ballerinas, Schönheitsköniginnen. Der begehrenswerteste Junggeselle hatte endlich seine Identität gefunden.
Oberflächlich gesehen ein radikaler Persönlichkeitswechsel. Aber in Vogue beschrieb ein Autor eine Fete, die Belding für das Metropolitan Museum of Art gab. Und Belding selbst »stand am Rand, lächelte nicht und zappelte herum, beobachtete die Festlichkeiten eher, als dass er daran teilnahm. Er kam diesem zugegebenermaßen zynischen Autor wie ein kleiner Junge vor, den man in ein Zimmer voller Süßigkeiten eingesperrt hat - so viel Süßigkeiten, dass er den Appetit auf Süßes verloren hat.«
Bei all den Partys erwartete ich etwas über William Houck Vidal zu finden. Aber da war nichts, nicht mal ein kleines Foto, dass man annehmen könnte, der ehemalige »Unternehmensberater« habe an der Metamorphose seines Bosses teilgenommen. Vidal wurde während der frühen Fünfzigerjahre nur ein Mal in einem Businessmagazin erwähnt, in dem etwas über einen neuen Kampfbomber stand. Ein Zitat von »W. Houck Vidal, Senior-Vizepräsident und Leiter von Magna«.
Ein Mann entwickelte sich vom Geschäftsmann zum Playboy. Der andere ging den umgekehrten Weg. Es war, als ob Belding und Vidal sich, auf einer Art psychischer Wippe sitzend, gegenseitig hochschaukelten.
Als tauschten sie ihre Identität.
Dann, Anfang 1955, hörte alles auf.
Belding sagte eine Gala für die Krebsgesellschaft ab, tauchte völlig unter. Dann begann, was eine Zeitschrift »den größten Räumungsverkauf in der Geschichte« nannte. Die Häuser, Wagen, Juwelen und andere Zeichen fürstlichen Lebenswandels wurden mit großem Gewinn verkauft. Sogar das Filmstudio - Spitzname Magnaflop - brachte auf dem Grundstücksmarkt Millionen.
Die Presse fragte sich, was Beldings neue Phase sein würde. Aber es kam nichts mehr, und als klar wurde, dass der Verschwindeakt permanent war, schrieb man immer weniger darüber, und in den Sechzigerjahren kam Belding oder Magna nur noch in finanziell oder technisch orientierten Magazinen vor.
Die Sechzigerjahre: Oswald. Ruby. Hoffman und Rubin. Stokely und Rap. Kein Engpass an Schauspielern, die bereit waren, sich vor der Kamera auszuziehen. Niemand kümmerte sich um den reichen Einsiedler, der früher mal schlechte Filme gedreht hatte.
1969 wurde von Leland Beldings Tod »irgendwo in Kalifornien nach einer längeren Krankheit« berichtet. In Übereinstimmung mit dem Testament des Junggesellen übernahm eine Gruppe führender Magna-Angestellter die Leitung von Magna, und der Vorstandsvorsitz ging an William Houck Vidal.
Und das war’s. Bis 1972, als ein früherer Reporter, Zeilenschinder und Ghostwriter namens Seaman Cross ein Buch vorlegte, das eine nicht autorisierte Biografie von Leland Belding sein sollte. Cross zufolge hatte der Milliardär seinen Tod vorgetäuscht, um »den wahren Frieden« zu finden. Nun, nach siebzehnjähriger Meditation in der Einsamkeit, hätte er festgestellt, dass er der Welt etwas zu sagen hätte, hätte Cross zu seinem Sprachrohr gewählt und ihm Hunderte von Interviews für ein vorgeschlagenes Buch gewährt, bis er es sich plötzlich anders überlegt und das Projekt abgesagt hätte.
Cross schrieb das Buch trotzdem zu Ende, nannte es Der amputierte Milliardär und bekam einen »kräftigen sechsstelligen Vorschuss«. Während seines sehr kurzen Lebens hatte es Furore gemacht.
Nicht meine Art von Lesefutter. Ich hatte damals nicht so darauf geachtet. Aber jetzt verschlang ich es, legte es nicht eher weg, als bis ich es durchhatte.
Cross vertrat die These, eine persönliche Tragödie Anfang der Fünfzigerjahre - eine Tragödie, über die zu sprechen Belding sich weigerte, aber die, wie Cross annahm, romantischer Art war - habe den jungen Milliardär in eine manische Playboyphase katapultiert, gefolgt von einem schweren geistigen Kollaps und mehreren Jahren Erholung in einer privaten Nervenheilanstalt. Der Mann, der da herauskam, war »ein von Phobien geplagter, paranoider, von sich selbst besessener Anhänger einer absurden persönlichen Philosophie aus östlicher Religion, militantem Vegetariertum und einem Individualismus à la Ayn Rand, der bis zum Extrem getrieben wird.«
Cross behauptete,
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