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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Belding mehrmals persönlich gesprochen zu haben - in einer hermetisch verschlossenen geodätischen Kuppel irgendwo draußen in der Wüste, die der Milliardär nie verließ. Die Transportmethode war dramatisch. Cross wurde - stets mit einer Augenbinde und immer mitten in der Nacht - zu einem Hubschrauberlandeplatz knapp eine Stunde außerhalb von L.A. gefahren - anscheinend El Segundo -, dann für etwa zwei Stunden zur Kuppel geflogen und vor Anbruch der Morgendämmerung wieder nach Hause geschafft.
    Die Kuppel war mit einem elektronischen Kommunikationspult ausgerüstet, mittels dessen Belding seine internationalen geschäftlichen Interessen, Luft- und Wasserreinigungssysteme (die Magna für NASA entwickelt hatte), automatischen Staubsauger und chemische Desinfektion kontrollieren konnte - ein verzweigtes Netzwerk aus Rohren, Ventilen und Schächten, durch die Post, Nachrichten, sterile Nahrung und Getränke hereinkamen und die Abfälle hinausgingen.
    Niemand außer Belding durfte in der Kuppel sein: keine Fotos oder Zeichnungen waren erlaubt. Cross war gezwungen gewesen, seine Interviews von einer Kabine auf Rädern aus durchzuführen, die vor einer Sprechanlage außerhalb der Kuppel stand.
    »Wir unterhielten uns«, so schrieb er, »mittels eines Zweiwegmikrofons, das Belding kontrollierte. Wenn er wollte, dass ich ihn sah, erlaubte er mir einen Blick durch ein Plastikfenster - ein Bild, das er aber durch Berühren eines Knopfes schwarz machen konnte. Er bediente sich dieser Methode öfters, um mich für das Stellen einer falschen Frage zu bestrafen. Er entzog mir seine Aufmerksamkeit, bis ich um Verzeihung bat und versprach, mich anständig zu benehmen.«
    So absurd das auch war - die merkwürdigste Stelle in Cross’ Erzählung enthielt die Beschreibung Beldings:
    Abgemagert fast wie ein Auschwitzgefangener, mit Vollbart, einer langen, verfilzten Matte aus grauem Haar, das ihm den halben Rücken herunterhing, um den runzligen Hals zahllose Kristallketten und riesige Kristallringe an jedem Finger. Die Nägel dieser Finger waren glänzend schwarz lackiert, spitzgeschliffen und schienen fast fünf Zentimeter lang. Seine Hautfarbe war ein unheimliches Grünlichweiß. Seine Augen, hinter dicken rosiggetönten Gläsern, quollen heraus und wanderten unablässig hin und her und blinzelten wie die Augen einer Fliegen fangenden Kröte.
    Aber am unheimlichsten fand ich seine Stimme - flach, mechanisch, jeden Gefühls entleert. Eine Stimme ohne Menschlichkeit. Sogar jetzt noch schaudert’s mich, wenn ich daran denke.
    Cross’ Haltung in dem ganzen Buch war eine der Faszination durch das Morbide. Er konnte seinen Widerwillen gegen den Milliardär nicht verbergen, aber ebenso wenig konnte er sich von ihm losreißen. Weiter schrieb er:
    Regelmäßig unterbrach Belding unsere Sitzungen, um rohes Gemüse zu knabbern, große Mengen sterilisierten Wassers zu trinken, sich dann voll in Sicht des Autors hinzuhocken und Darm und Blase in einen Messingtopf zu entleeren, den er auf einer altarartigen Plattform aufzubewahren pflegte. Sobald der Topf genau fünfzehn Minuten auf dem Altar gestanden hatte, entfernte er ihn und leerte ihn in einen Müllschlucker aus. Während er sich entleerte, breitete sich ein selbstzufriedener, fast religiöser Ausdruck auf seinem hageren Raubvogelgesicht aus, und obwohl er sich weigerte, über dieses Ritual zu diskutieren, war mein Eindruck, wenn ich darüber nachdenke: Selbstverehrung, der logische Höhepunkt eines Lebens voller ungezügeltem Narzismus und Macht.
    Die zweite Hälfte des Buchs war ziemlich langweilig. Kreuzzugspredigt gegen die Schwäche einer Gesellschaft, die so ein Ungeheuer wie Belding hervorbringen konnte, Mitschriften von Beldings philosophischen Ergüssen über den Sinn des Lebens - eine kaum verständliche Mischung aus Hinduismus, Nihilismus, Quantenphysik und Sozialdarwinismus, einschließlich Anklagen gegen »geistig-moralische Zwerge, die die Schwäche vergöttern«.
    Die Biografie endete mit einem letzten editorischen Ausbruch:
    Leland repräsentiert alles, was falsch am Kapitalismus ist. Er ist das groteske Ergebnis einer Konzentration von zu viel Geld und zu viel Macht in den Händen eines offenbar fehlbaren und verdrehten Mannes. Er ist der Imperator der Zügellosigkeit und Maßlosigkeit, ein fanatischer Menschenverächter, der in anderen Lebensformen nichts als potenzielle Quellen bakteriologischer oder virologischer Ansteckung sieht. Sein hauptsächliches Interesse

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