Sharon: die Frau, die zweimal starb
vor einem Himmel standen, der wie ein dreckiger Hosenboden aussah.
»Wenn’s Killerlohn war«, sagte er, »dann weißt du, was das bedeutet: Vorsatz - jemand hat den Kontrakt geplant. Das Komplott aufgebaut.«
Er sagte mir, ich solle in einer unmarkierten Gasse, die vom Sunset nach Norden hinaufkletterte, links abbiegen - sie lag eingetunnelt zwischen zwei Baumateriallagern. Wir kamen an bis zum Rand vollgestopften Abfallcontainern, mit Graffiti beschrifteten Rückwänden, Bergen von weggeworfenem Sperrholz, beschädigten Jalousien und zerhackten Packkisten vorbei. Noch eine Viertelmeile, und wir schlängelten uns auf rissigem Asphalt zwischen von Unkraut überwachsenen Grundstücken durch.
Am hinteren Rand mehrerer dieser Grundstücke gab es wacklige Hütten, die wirklich aussahen, als würden sie jeden Augenblick umfallen. Die Gasse endete in einer Gabelung und im Dreck. Vierzig oder fünfzig Meter weit stand als Endpunkt der Sackgasse eine Wand aus Aschenblöcken. Links noch mehr totes Gras, rechts gute Sicht auf den Freeway.
»Park hier«, sagte Milo.
Wir stiegen aus. Sogar bis hier oben hinauf toste der Verkehr von der Kreuzung.
Die Aschenblockmauer war von Stacheldraht gekrönt. In den Block hineingeschnitten war eine oben abgerundete Holztür, die mit der Zeit und von den Elementen rau gekratzt war. Kein Schloss, keine Klinke. Nur ein in Holz gebetteter, rostiger Eisendorn, schleifenförmig umwickelt von einem Lederriemen. Von dem Riemen herab hing eine alte, verrostete Kuhglocke. Ein Kachelschild über der Tür sagte: RUE DE OSCAR WILDE.
Ich sah zu dem Stacheldraht hoch und fragte: »Wo sind die Geschütztürme?«
Milo runzelte die Stirn, hob einen Stein auf und warf ihn gegen die Kuhglocke. Sie gab einen blechernen Ton von sich.
Ganz plötzlich kam von der anderen Seite der Mauer der anschwellende Lärm von Tierlauten: Hunden, Katzen - eine ganze Meute. Und Bauernhofgegacker: Hennen. Ziegengemecker. Die Tiere kamen näher, wurden lauter - so laut, dass sie fast das Geheul des Freeways übertönten. Die Ziegen waren am lautesten. Ich musste an Voodooriten denken, und es kribbelte mir im Nacken.
»Sag nicht, ich hab dich nie irgendwohin mitgenommen, wo’s interessant ist«, sagte Milo.
Die Tiere kratzten an der anderen Seite der Mauer. Ich konnte sie riechen.
Milo rief laut: »Hallo!«
Nichts. Er wiederholte die Begrüßung, hämmerte mehrere Male an die Kuhglocke.
Schließlich war eine weinerliche, krächzende Stimme zu hören; ob männlich oder weiblich, war nicht zu bestimmen: »Wer zum Kuckuck ist denn da?«
»Milo.«
»So? Was soll ich machen? Bringst du mir’n Mouton Rothschild mit zum Knacken?«
»Mach doch erst mal die Tür auf.«
»Wie kommst du denn auf die Idee?«
Aber die Tür ging doch auf. Ein alter Mann stand im Eingang, der nur weiße Boxershorts, einen roten Seidenschal um den Hals und auf der unbehaarten Brust ein langes Muschelhalsband trug. Hinter ihm hopste und quiekte ein Heer von Vierbeinern und wühlte den Staub auf: Dutzende von Hunden ungewisser Herkunft, ein paar kriegsverletzte Kater und im Hintergrund Hühner, Gänse, Enten, Schafe, mehrere schwarze nubische Ziegen, die Staub leckten und unsere Hosenaufschläge und Manschetten anzuknabbern versuchten.
»Lass das«, sagte Milo und schlug um sich.
Der alte Mann sagte: »Ruhig«. Ohne Nachdruck. Er kam und schloss die Tür hinter sich.
Er war mittelgroß und sehr mager, schlaff, mit sehnigen Armen und knotigen, krampfadrigen Beinen, schmalen, hängenden Großmutterbrüsten und einem vorquellenden Bauch. Seine Haut war so sonnenverbrannt, dass sie die Farbe von Bourbon angenommen hatte und ölig schimmerte. Das Haar auf seinem Kopf war knausrig-weißer Flaum, als ob er seine kahle Platte mit Klebstoff bestrichen und dann in Baumwolle getaucht hätte. Er hatte ein schwaches Kinn, eine große Hakennase und eng beieinander liegende Augen, die so stark schielten, dass sie wie geschlossen aussahen. Ein zottliger Fu-Manchu-Schnauzer hing ihm von beiden Seiten des Mundes herab, ein paar Zentimeter tiefer als die Kinnlinie. Er sah uns an, runzelte die Stirn und spuckte auf den Boden.
Gandhi mit Gastritis.
»Hallöchen, Ellston«, sagte Milo. »Schön, dich in deiner gewohnten guten Laune anzutreffen.« Der Lärm seiner Stimme setzte Hundegebell in Gang.
»Sei doch ruhig. Du machst mir wieder die Tiere scheu. Das machst du immer.« Der alte Mann kam auf mich zu und starrte mich an, ließ die Zunge über die Innenwand
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