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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Crotty. »Dabei müsste gerade er zuhören, wenn überhaupt wer. Man sollte doch eigentlich annehmen, jemand in seiner Position kommt angekrochen zu mir, kniet vor mir nieder und bittet mich um meine gesammelte Weisheit. Stattdessen - woher kenne ich den Sack überhaupt? Halb tot in der Notaufnahme, der süße Rick massiert mir’s Herz und bringt mich ins Leben zurück. Und dann kreuzt dieser Sack auf, macht auf Macker mit dem großen Schleppnetz, glotzt auf die Uhr und will wissen, wann Rick frei ist. Fickrige Schönheit und das Monster.«
    Er ging zu Milo zurück, schimpfte ihn mit dem Zeigefinger aus und sagte: »Du warst immer schon unsensibel. Da ging’s bei mir um Leben und Tod, und du konntest an nichts anderes als deinen Schwanz denken.«
    »Mach’s nicht so lebensgefährlich, Ellston. Du hattest Magenbeschwerden. Du hattest Blähungen. Zu viel Menudo, zu wenig Ballaststoffe.«
    »Das sagst du.« Zu mir: »An dem hast du die nächsten paar Jahre zu tun, Seelenklempner. Ein riesenfickriger Berg Arbeit sitzt da neben dir, mein Junge, du wirst Jahre brauchen, um wenigstens durch die oberen Schichten seiner Verleugnung durchzukommen.«
    »Belding«, sagte Milo. »Oder gib mir das Geld zurück.«
    »Belding«, wiederholte Crotty. »Ein Kapitalist. Gemein. Bösartig. Weil er latent war. Ich weiß, was das aus einem Menschen macht.« Er stand auf, sah über eine Ansammlung von Kästen auf dem Boden, kniete sich vor einen von ihnen hin und suchte mit beiden Händen darin herum.
    »Jetzt geht’s los«, sagte Milo.
    Crotty zog eine mit braunem Stoff bespannte Kladde heraus, flippte durch die Seiten, wischte sich die Stirn, setzte sich dann neben mich und zeigte drauf.
    »Da.«
    Seine Fingerspitze lag neben dem Foto eines jungen Mannes in Polizeiuniform. Schwarzweiß, Sägezähnerand, genau wie das von Sharon und Shirlee.
    Der junge Mann trug eine Polizeiuniform, stand neben einem Streifenwagen in einer von Palmen gesäumten Straße. Seine Gesichtszüge waren fein, beinahe mädchenhaft, die Augen groß und rund. Unschuldig. Dickes, welliges, in der Mitte gescheiteltes Haar, Leberfleck auf der rechten Wange. Ein hübscher Junge - einer, der leicht was in die süße Visage bekommt wie der junge Monty Clift.
    »Guck mal da«, sagte Crotty und deutete auf ein anderes Foto auf der Seite. Derselbe Mann in Zivil stand neben dem Dodge, den ich gerade vorm Haus gesehen hatte. Er trug Sportkleidung und hatte den Arm um die Taille eines Mädchens gelegt. Sie trug ein Büstenhalter-Oberteil und Shorts, gut gebaut. Ihr Gesicht war mit einem Kugelschreiber ausgekratzt.
    »Ich war ein richtiger Spießer damals«, sagte Crotty. Er riss das Buch weg, klappte es zu und warf es auf den Boden.
    »Die sind von 1945. Ich kam gerade aus Uncle Sams Navy, hatte mir Bänder im Pazifik verdient, dachte, ich wäre Gottes Geschenk für Frauen, und sagte mir immer, diese kleinen Episoden auf dem Schiff mit dem Koch - schwitzender schwedischer Fleischkloß - wären nur ein schlechter Traum gewesen. Obwohl es sich mit ihm so angefühlt hatte, wie Liebe sich anfühlen sollte - und all die Schwächlinge hatten mehr Spaß als ich gehabt.«
    Er klopfte sich auf die Brust. »Ich war so süß wie Mary Pickford, aber ich versuchte mir einzureden, dass ich der fickrige Gary Cooper wäre. Was gab’s für’n überkompensierenden Macho also Besseres zu tragen als eine blaue Uniform mit Knüppel.«
    Er lachte. »Am gleichen Tag, wo ich meine Entlassungspapiere bekam, bewarb ich mich bei der Polizei. Am Tag, wo ich die Akademie absolviert hatte, dachte ich, ich wäre König Heterohengst persönlich. So’n blauer Bulle, der hat keine Probleme. Die Führung sah mich einmal an und wusste, wo sie mich hinschicken musste: als Lockspitzel in die Toilette am MacArthur Park, bis alle Schwulen mich da kannten, dann schwule Bars observiert, Sonderauftrag, drüben in Hollywood. Ich war große Klasse, habe mehr Schwule abräumen helfen als jeder andere Köder. Ich war ein Goldjunge, wurde befördert, der Sitte zugeteilt, verbrachte die nächsten zehn Jahre meines Lebens damit, noch mehr Schwule hochgehen zu lassen - ließ mich selbst hochgehen, soff’s jede Nacht weg. Ich wurde in Rekordzeit Detective, aber war nichts weiter als ein fickriger Köder - küsste so viele traurige Bubis, dass ich Hornhaut auf den Lippen bekam. Die Sitte war von mir begeistert. Ich war ihre fickrige Geheimwaffe, klapperte mit meinen Schlafzimmeraugen, brachte private Partys oben in den

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