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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Vergewaltigt. Kopf in den Gasofen.
    Wenn du auch nur mit der Hälfte von dem recht hast, haben wir es mit Leuten zu tun, die sehr lange Arme haben …
    Der Hubschrauber stieg immer höher. Ich kämpfte gegen das Zittern an, gab mir irre Mühe, so zu tun, als ob’s sich um einen Ausflug nach Disneyland handelte.
    Hoch und höher und weg.
    Wir waren meiner langsamen Zählweise nach mehr als zwei Stunden geflogen, als weitere Funkgerätgeräusche von vorn aus der Kabine herüberdrangen, und ich merkte, dass der Hubschrauber an Höhe verlor.
    Mehr Funkgerätgestotter. Ein entzifferbares Wort: »Roger.«
    Wir sackten hinunter zur Landung. Ich erinnerte mich, irgendwo gelesen zu haben, dass ein Hubschrauber zwischen neunzig und hundertfünfundzwanzig Knoten fliegt. Wenn meine Zählung ungefähr richtig war, bedeutete das einen Flug von zweihundert bis zweihundertfünfzig Meilen. Ich zog im Geist einen Kreis mit L.A. als Mittelpunkt. Der Länge nach Fresno bis Mexiko. Auf der Ostwestachse von der Wüste von Colorado bis irgendwo über dem Pazifik.
    Kein Mangel an Wüste in allen drei Richtungen.
    Ein weiterer starker Fall. Augenblicke später trafen wir auf festen Boden.
    »Glatt«, sagte Hummel. Sekunden später roch ich seinen Atem, heiß und nach Pfefferminz riechend, auf meinem Gesicht, hörte ihn grunzen, als er den Gurt löste.
    »Spaß gehabt am Flug, mein Junge?«
    »Nicht schlecht«, sagte ich - lieh mir die Stimme eines anderen, den tremolierenden Tenor eines schüchternen Bewunderers. »Aber der Film war nichts.«
    Er kicherte, nahm mich beim Arm, führte mich aus dem Hubschrauber und hinunter.
    Ich stolperte ein paar Mal. Hummel hielt mich aufrecht und in Trab, war nicht einen Moment unaufmerksam. Tempo.
    Der alte schwungvolle Abmarsch - er hatte ihn wahrscheinlich bei tausend Betrunkenen in Vegas praktiziert.
    Wir gingen ungefähr vierhundert Schritte. Die Luft war sehr heiß und sehr trocken. Still.
    »Bleib hier«, sagte er, und ich hörte das pferdehufartige Klacken seiner verschwindenden Stiefelschritte, dann nichts mehr.
    Ich stand unbewacht da und zählte bis dreihundert. Noch dreihundert.
    Zehn Minuten. Mir selbst überlassen.
    Noch fünf Minuten, und ich fing an mich zu fragen, ob er wiederkommen würde. Noch drei, und ich hoffte, dass er käme.
    Dass er wegging, hieß: Flucht wäre Wahnsinn. Ich versuchte, mir vorzustellen, wo ich mich befand - am Rand eines Abgrunds? Zielscheibe am Ende eines Schießstands?
    Oder einfach in der Mitte von nirgendwo ausgesetzt, ein Geschenk für Skorpione und Bussarde.
    Donald Neuraths Todesanzeige fiel mir ein … nicht angegebene Todesursache, auf Ferienreise in Mexiko.
    Vielleicht bluffte Hummel. Ich überlegte, ob ich mich bewegen sollte. In meiner Ungewissheit war ich wie erstarrt. Ich stand mit einem Fuß auf einer Landmine, zu lebenslänglicher Regungslosigkeit verurteilt.
    Ich stand da, zählte, schwitzte und versuchte, mich aufrecht zu halten. Meine Angst ließ Minuten zu Stunden werden. Schließlich zwang ich mich zu einem einzigen Schritt vorwärts - einem Babyschritt. Mutter, darf ich? Bitte?
    Fester Boden. Kein Feuerwerk.
    Noch einen Schritt. Ich schwang mit dem Fuß in einem niedrigen Kreis herum - keine Stolperdrähte -, bewegte mich zentimeterweise vorwärts, als hinter mir ein elektrisches Surren ertönte. Ruckweiser Ton - Surren. Stopp. Surren.
    Ein Golfkarren oder so etwas. Kam näher. Schritte.
    »Hübscher kleiner Tanz, mein Junge«, sagte Hummel. »Wir könnten Regen brauchen.«
    Er setzte mich in einen Karren mit niedrigen Sitzen und ohne Dach. Wir fuhren in brennender Sonne ungefähr fünfzehn Minuten, dann zog er mich heraus und führte mich durch Drehtüren in ein durch Klimatisierung eisiges Gebäude. Wir kamen durch drei weitere Türen, von denen jede sich nach einer Reihe von Klicks öffnete, wandten uns dann jäh nach rechts, gingen noch dreißig Schritte und betraten einen Raum, der nach Desinfektionsmittel roch.
    »Schön ruhig bleiben, und keiner tut dir was«, sagte er.
    Zahlreiche Füße schlurften vorwärts. Die Handschellen wurden weggenommen. Mehrere Händepaare hielten meine Arme und Beine fest und den Kopf, kippten ihn nach hinten. Finger waren in meinem Mund, hoben die Zunge hoch. Ich würgte.
    Ich wurde ausgezogen. Hände liefen einen Marathon über meinen Körper, wuschelten mir im Haar herum, tasteten meine Achselhöhlen ab, meine Öffnungen - gewandt, schnell, ohne Anzeichen eines lüsternen Interesses. Dann war ich wieder

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