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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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angekleidet, zugeknöpft und mein Reißverschluss zugezogen, alles innerhalb von wenigen Minuten.
    Man führte mich durch zwei weitere klickende Türen und setzte mich in einen großen, tiefen Sessel - Leder, das nach Gerbsäure roch.
    Die Tür schloss sich.
    Als ich endlich die Augenbinde abriss, waren sie fort.
    Der Raum war groß, dunkel, in einem Neo-Jagdhüttenstil eingerichtet - Holzplankenwände, Navajoteppiche, künstlich gealterter Kiefernfußboden, Wagenradkronleuchter, der von einer Balkendecke herabhing, ein paar mit Rindsleder bezogene Armlehnensessel aus Hirschgeweih, wandgroße Ölbilder mit müde aussehenden Cowboys drauf, Bronzestatuen von bockenden wilden Pferden.
    In der Mitte des Raums stand ein großer, klauenfüßiger Schreibtisch mit Lederauflage. Dahinter eine Wand voll Steinschlossgewehren und mit Gravuren versehenen, antiken Flinten vom Fußboden bis zur Decke.
    Hinter dem Schreibtisch saß Billy Vidal mit strahlenden Augen und Bürstenhaarschnitt, quadratischer Kinnlade und perfekt angezogen. Seine teerähnliche Hautfarbe kontrastierte mit einem elfenbeinfarbenen Rollkragenpullover unter einem weißen Kaschmirpullover mit V-Ausschnitt. Kein Cowboyanzug für den Vorsitzenden von Magna, er war elegant à la Palm Beach, als würde er zum Golfen gehen. Seine Hände lagen flach auf der Schreibtischplatte, manikürt und babyweich.
    »Dr. Delaware, danke, dass Sie gekommen sind.«
    Seine Stimme passte nicht zu dem Übrigen - ein heiseres, dünnes Krächzen, das zwischen den Worten aussetzte.
    Ich sagte nichts.
    Er sah mir gerade in die Augen, seine waren hell. Er hielt meinen Blick eine Weile aus und sagte dann: »Der Eisbrecher ist stecken geblieben.« Seine letzten Worte kamen lippensynchron heraus. Er räusperte sich und produzierte weiteres Kehlkopfgeflüster. »Tut mir leid wegen der Unannehmlichkeit, die Sie hatten. Es gab keine andere Möglichkeit.«
    »Keine andere Möglichkeit wofür?«
    »Eine Plauderei zwischen uns zu arrangieren.«
    »Sie hätten doch nur zu fragen brauchen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Das Problem war das Timing. Bis vor kurzem wusste ich nicht, ob es klug sein würde, dass wir uns träfen. Ich habe über das Thema nachgedacht, seit Sie angefangen haben, Fragen zu stellen.«
    Er hustete, klopfte auf seinen Adamsapfel. »Aber heute, als Sie meine Schwester besuchten, haben Sie mir die Entscheidung abgenommen. Die Dinge mussten rasch und sorgfältig erledigt werden. Also bitte ich Sie noch einmal für die Art, wie Sie hergebracht wurden, um Verzeihung und hoffe, dass wir das auf sich beruhen lassen können. Um weiterzukommen.«
    Ich konnte immer noch die Abdrücke der Handschellen an meinen Gelenken spüren, dachte an den Hubschrauberflug, den Angstdruck während des Wartens auf Hummel und seinen Golfkarren, Finger in meinem Arsch.
    Hübscher kleiner Tanz, mein Junge. Ich wusste, dass Wut mir nur schaden würde, wenn ich mich von ihr übermannen ließ.
    »Um weiterzukommen wohin?«, fragte ich lächelnd.
    »Zu unserer Diskussion.«
    »Worüber?«
    »Bitte, Doktor«, krächzte er. »Verschwenden Sie doch keine kostbare Zeit mit Formalitäten.«
    »Ihre Zeit ist knapp, wie?«
    »Sehr.«
    Wir starrten uns an. Sein Blick wich nicht von meinen Augen, aber ich spürte, dass er in Gedanken anderswo war.
    »Vor dreißig Jahren«, sagte er, »hatte ich Gelegenheit, Zeuge eines Atomtests zu werden, der gemeinsam von der Magna Corporation und der U.S. Army veranstaltet wurde. Ein festliches Ereignis, nur für geladene Gäste, draußen in der Wüste von Nevada. Wir verbrachten die Nacht in Las Vegas, hatten eine wundervolle Party und fuhren vor Sonnenaufgang hinaus. Die Bombe ging los, gerade als der Himmel hell wurde - ein überbelichteter Sonnenaufgang. Aber etwas lief nicht so, wie es sollte - der Wind schlug plötzlich um, und wir wurden alle radioaktivem Staub ausgesetzt. Die Army sagte, die Gefahr der Kontaminierung wäre gering - niemand dachte viel darüber nach bis vor fünfzehn Jahren, als die Krebserkrankungen aufzutreten anfingen. Drei Viertel von denen, die an dem Morgen dabei waren, sind tot. Mehrere andere sind todkrank. Es ist nur eine Frage der Zeit für mich.«
    Ich betrachtete sein wohl genährtes Gesicht, die strahlende, gebräunte Haut: »Sie sehen gesünder aus als ich.«
    » Höre ich mich auch gesund an?«
    Ich antwortete nicht.
    »Tatsächlich«, sagte er, »bin ich gesund. Im Augenblick. Niedrige Cholesterinwerte, hervorragende Lipide, ein Herz so stark

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