Sharon: die Frau, die zweimal starb
ist voll von Hochstaplern. Fährt einen Caddy, aber der ist acht Jahre alt. Noch so ein falscher Fuffziger, der den feinen Mann markiert? Oder jemand, der früher mal bessere Zeiten gesehen hat und jetzt ohne dasteht?
»Herrlicher Tag«, sagte sie, eine Hand auf dem Türgriff, immer noch prüfend, immer noch misstrauisch. Sich mit fremden Männern oben in den Bergen zu treffen musste oft zu merkwürdigen Situationen führen.
Ich lächelte, versuchte harmlos auszusehen, sagte »herrlich« und sah das Haus an. Im Tageslicht war das Déjà-vu sogar noch stärker. Mein persönliches Stück Geisterstadt. Unheimlich.
Sie verstand mein schweigendes Betrachten des Hauses als Missfallen und erklärte: »Von innen hat man einen fantastischen Blick. Es ist wirklich charmant, großzügig geschnitten - ich glaube, ein Schüler von Neutra hat es entworfen.«
»Interessant.«
»Es ist gerade auf den Markt gekommen. Wir haben es noch nicht mal annonciert - ja, wie sind Sie denn überhaupt darauf gekommen?«
»Ich mochte den Nicholas Canyon schon immer«, sagte ich. »Ein Freund, der in der Nähe wohnt, hat mir erzählt, dass es zu haben ist.«
»Oh. Was für eine Art von Doktor sind Sie denn?«
»Psychologe.«
»Haben Sie sich den Tag freigenommen?«
»Den halben Tag. Einen der wenigen.«
Ich warf einen Blick auf die Uhr und versuchte, beschäftigt zu wirken. Das schien sie zu beruhigen. Ihr Lächeln kam wieder. »Meine Nichte möchte Psychologin werden. Sie ist ein sehr kluges kleines Mädchen.«
»Das ist toll. Ich wünsche ihr viel Glück.«
»Oh, ich glaube, wir sind selbst unseres Glückes Schmied, finden Sie nicht, Doktor?«
Sie zog Schlüssel aus ihrer Handtasche, und wir gingen zu der Haustür in der Lattenwand. Sie öffnete sich auf einen kleinen Hof - ein paar Pflanzen in Töpfen, Glasstäbe, die imWind klimperten, wie ich mich erinnerte, hingen über dem Türsturz, jetzt waren sie still in der heißen, unbewegten Luft.
Wir betraten das Haus, und sie begann ihr Spiel, alles gut eingeübte Verkaufsförderung.
Ich tat so, als hörte ich zu, nickte und sagte »aha« und »gut« an den richtigen Stellen, zwang mich zu folgen, anstatt zu führen, ich kannte das Haus ja besser als sie.
Das Innere roch nach Teppichreiniger und Desinfektionsmittel mit Kiefernduft. Blitzsauber, man hatte Tod und Unordnung ausgetrieben. Aber für mich war es traurig und abstoßend, unerträglich bedrohlich, ein schwarzes Museum.
Der vordere Teil des Hauses war ein einziger großer, offener Raum, der Wohnzimmer, Essecke, Arbeitsareal und Küche enthielt. Die Küche war ein frühes Deko-Massaker: avocadogrüne Schränke, korallenfarbene, hitzebeständige Plastiktisch- und Arbeitsplatten mit gerundeten Ecken, korallenfarbene, vinylbeschichtete Frühstücksecke. Die Einrichtung aus hellem Holz, synthetischen pastellfarbenen Stoffen und schwarzen, eisernen Spinnenbeinen - das stromlinienförmige Nachkriegszeugs, das aussieht, als könnte es jeden Augenblick abheben und wegfliegen. An den gemusterten beigefarbenen Gipswänden hingen Harlekinportraits und Mitbringsel von der See. Bücherborde auf Winkelstützen mit Psychologiewälzern. Dieselben wie damals.
Ein heller, kühler, lustlos wirkender Raum, aber die Lustlosigkeit ließ das Auge gen Osten wandern, auf eine Glaswand hin, die so sauber war, dass man sie nicht wahrnahm. Eine von Glasschiebetüren geteilte Fläche.
Davor eine schmale Terrasse mit einem Fliesenboden und einem weißen Eisengeländer am Rand, jenseits davon eine Landschaft aus Canyons, Bergen, blauem Himmel und Sommerurlaub. »Ist das nicht einmalig«, sagte Mickey Mehrabian und streckte einen Arm aus, als wäre das Panorama ein Bild, das sie gemalt hatte.
»Wirklich einzigartig.«
Wir gingen auf die Terrasse hinaus. Mir war schwindlig, ich erinnerte mich an einen Abend, an dem wir getanzt hatten, brasilianische Gitarren.
Ich will dir etwas zeigen, Alex.
Ende September. Ich kam nach L.A. zurück, sie war noch nicht da, ich war um 4000 Dollar reicher und höllisch einsam. Sie war verschwunden, ohne eine Adresse oder Telefonnummer zu hinterlassen; wir hatten einander nicht mal Postkarten geschrieben. Ich hätte wütend sein sollen, aber ich dachte nur an sie, als ich die Küstenstraße hinunterbrauste.
Ich fuhr geradewegs zur Curtis Hall. Eine Dame in ihrer Etage teilte mir mit, sie wäre ausgezogen und käme in diesem Semester nicht mehr zurück. Keine Adresse, keine Telefonnummer, über die man sie erreichen
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