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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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allen wichtigen Prüfungen beendet. Ich hatte gerade mein Zulassungsexamen bestanden und ab Herbst einen Job im Western Pediatric Hospital angenommen. Zeit zu feiern, aber kein Einkommen bis zum Herbst. Die Mahnbriefe der Gläubiger hatten einen drohenden Ton angenommen. Als sich die Gelegenheit bot, endlich mal richtig Geld zu verdienen, griff ich zu: acht Wochen lang Auftritte mit einer Tanzband in San Francisco, drei Einsätze pro Abend, sechs Abende in der Woche im Mark Hopkins. Viertausend Dollar plus Zimmer und Essen in einem Motel in der Lombard Street.
    Ich bat Sharon, mit mir nach San Francisco zu gehen, stellte mir vor: Frühstück in Sausalito, gutes Theater, Museum, Klettertour auf den Mount Tamalpais.
    Sie sagte: »Ich käme so gern, Alex, aber ich muss mich um ein paar Dinge kümmern.«
    »Was für Dinge?«
    »Familienangelegenheiten.«
    »Probleme daheim?«
    Sie antwortete rasch: »Ach nein, nur das Übliche.«
    »Das sagt mir überhaupt nichts«, sagte ich. »Ich habe keine Ahnung, was das Übliche ist, weil du nie von deiner Familie sprichst.«
    Zärtlicher Kuss. »Es ist nur eine Familie wie jede andere auch.«
    »Lass mich raten: Sie wollen dich wieder in die Zivilisation zurückholen, damit sie dich mit den Sprösslingen im Ort zusammenbringen können.«
    Sie lachte, küsste mich wieder. » Sprösslinge? Kaum.«
    Ich legte den Arm um ihre Taille und rieb Mund und Nase an ihr. »O ja, ich kann’s jetzt sehen. In ein paar Wochen schlage ich die Zeitung auf und sehe dein Bild in den Nachrichten aus der Gesellschaft: Verlobt mit einem von diesen Kerlen mit wenigstens drei Namen und einer Karriere als Investmentbanker.«
    Sie kichert. »Ich glaube nicht, mein Lieber.«
    »Und wieso nicht?«
    »Weil mein Herz dir gehört.«
    Ich nahm ihr Gesicht in die Hände, sah ihr in die Augen. »Stimmt das, Sharon?«
    »Natürlich, Alex. Was denkst denn du?«
    »Ich denke, nach all dieser Zeit kenne ich dich nicht sehr gut.«
    »Du kennst mich besser als irgendwer.«
    »Das heißt immer noch nicht sehr gut.«
    Sie zog an ihrem Ohr. »Ich mag dich wirklich, Alex.«
    »Dann lebe mit mir, wenn ich zurückkomme. Ich besorge uns eine größere, bessere Wohnung.«
    Sie küsste mich, so tief, dass ich dachte, es bedeute Zustimmung. Dann zog sie sich zurück und sagte: »Es ist nicht so leicht.«
    »Warum nicht?«
    »Die Dinge sind so … kompliziert. Bitte, lass uns nicht jetzt darüber reden.«
    »Also gut«, erwiderte ich. »Aber denke mal darüber nach.«
    Sie leckte die Unterseite meines Kinns. »Ja. Denke mal über das hier nach.«
    Wir fingen an, uns zu küssen. Ich drückte sie an mich, wühlte mich in ihr Haar, ihren Körper hinein. Es war, als tauchte ich in einen Bottich voll süßer Sahne.
    Ich knöpfte ihre Bluse auf und sagte: »Du wirst mir wirklich fehlen. Du fehlst mir jetzt schon.«
    »Das gefällt mir«, meinte sie. »Wir werden vieles nachholen im September.«
    Dann fing sie an, den Reißverschluss an meinem Hosenschlitz aufzuziehen.
     
 
    Um zehn Uhr vierzig fuhr ich los, um die Maklerin zu treffen. Der milde Sommer hatte schließlich dahinzuwelken begonnen, die Temperaturen stiegen über dreißig Grad, und die Luft roch wie Abgas aus einem Ofenrohr. Aber der Nicholas Canyon sah immer noch frisch aus - von der Sonne überstrahlt, voll ländlicher Geräusche. Schwer zu glauben, dass Hollywood mit all seinen Gaunern und Strolchen nur ein paar Meter entfernt lag.
    Als ich am Haus ankam, war das Gittertor offen. Ich fuhr den Seville die Einfahrt hinauf und parkte ihn neben einem großen weinroten Fleetwood Brougham mit Chromdrahträdern, einer Telefonantenne hinten auf dem Dach und Kennzeichen von SELHOUS.
    Eine große Dunkelbrünette stieg aus dem Wagen. Mitte vierzig, aerobic-fest und gutaussehend in engen, gebleichten Jeans, hochhackigen Stiefeln und einem mit Bergkristall geschmückten, kragenlosen schwarzen Wildlederoberteil. Sie trug eine Schlangenlederhandtasche, große Modeschmuckklunker aus Onyx und Glas und eine Sonnenbrille mit sechseckigen blaugetönten Gläsern.
    »Doktor? Ich bin Mickey« Ein breites, automatisches Lächeln dehnte sich unter der Sonnenbrille aus.
    »Alex Delaware.«
    »Dr. Delaware?«
    »Ja.«
    Sie schob die Sonnenbrille zur Stirn hinauf, betrachtete die Dreckschicht auf dem Seville, dann meine Kleidung - alte Cordhosen, ausgebleichtes Arbeitshemd, Sandalen mit geflochtenem Oberteil.
    Überprüfte mich in Gedanken wie ein Detektiv: Sagt, er ist ein Doktor, aber die Stadt

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