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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Ausdrucksfähigkeit vor dem Unfall entwickelt?«
    »Seine Mutter berichtet, dass er zu sprechen anfing. Aber nach dem Trauma -«
    »Seine Mutter«, unterbrach Moretti. »Und sie gründen Ihre Schlussfolgerungen auf das, was sie Ihnen sagte.«
    »Unter anderem.«
    »Zum Beispiel auch auf Ihr Interview mit der Kindergärtnerin.«
    »Zum Beispiel.«
    »Die Kindergärtnerin ist Ihre Expertin ?«
    »Sie machte einen sehr glaubwürdigen Eindruck und kannte Darren sehr gut. Sie berichtete, dass die Eltern sehr engagiert gewesen seien, sehr liebevoll. Sein Vater insbesondere hätte sich für seine Entwicklung -«
    »Ja, lassen Sie uns von seinem Vater reden. Gregory Joe Burkhalter war vorbestraft, wussten Sie das, Doktor?«
    »Ja, das wusste ich. Eine Verurteilung wegen Diebstahls vor mehreren Jahren.«
    »Ja, Diebstahl, Doktor. Und er hat eine Gefängnisstrafe abgesessen.«
    »Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte Mal.
    »Es geht darum, Mr. Worthy, dass Ihr Experte seine Meinung von einer Kindergärtnerin bezeugen lässt, die bei Gericht nicht als Expertin zugelassen wäre. Er möchte diesen Vater als eine bedeutende Intelligenzquelle für dieses Kind hinstellen und auf Grund des Todes des Vaters daraus einen materiellen und emotionalen Verlust ableiten. Dieser Vater war ein Krimineller, mit minimaler Ausbildung …«
    »Mr. Moretti«, sagte ich. »Sind Sie der Meinung, dass nur gutausgebildete Eltern es wert sind, dass man um sie trauert?«
    Er überging meine Frage einfach. »… während die Daten in diesem Fall tatsächlich einen sozial und emotional verarmten …«
    Er fuhr eine Weile so fort, seine Lautstärke und Sprechgeschwindigkeit nahmen immer mehr zu, er glühte förmlich vor Kampflust. Mal war auch an dem Turnier beteiligt, bereit zum Gegenstoß.
    Wettpinkeln. Und die Wahrheit, zum Teufel mit der Wahrheit. Moretti fing langsam an, mir auf die Nerven zu gehen, und ich unterbrach ihn und rief, um mich gegen die Flut von juristischem Fachchinesisch zu behaupten: »Mr. Moretti, Sie sind ein klassischer Fall dafür, wie gefährlich Halbwissen sein kann.«
    Moretti erhob sich halb aus seinem Sessel, fing sich, setzte sich wieder hin und entblößte die Zähne: »Bauen Sie eine Abwehrhaltung auf, Doktor?«
    »Es sollte ein Meeting werden, bei dem die Fakten ermittelt werden sollten. Wenn Sie hören wollen, was ich zu sagen habe, fein. Wenn Sie Egospiele machen wollen, werde ich nicht meine Zeit verschwenden.«
    Moretti schnalzte mit der Zunge. »Mr. Worthy, wenn dies ein Vorgeschmack auf sein Benehmen vor Gericht sein soll, bekommen Sie einen ganzen Berg von Schwierigkeiten, Herr Kollege.«
    Mal sagte nichts. Aber er kritzelte auf seinen Notizblock: Habe ich ein Ungeheuer geschaffen?, und deckte es dann mit der linken Hand zu.
    Moretti entging das nicht: »Gibt’s irgendetwas, was wir im Protokoll festhalten sollten, Herr Kollege?«
    »Ich kritzel nur so herum«, sagte Mal und fing an, eine nackte Frau zu zeichnen.
    »Wir sprachen über Kindheitstraumata«, sagte ich zu Moretti. »Möchten Sie, dass ich auf das Thema eingehe, oder bin ich fertig?«
    Moretti versuchte, ein amüsiertes Gesicht zu machen. »Sie dürfen auf das Thema eingehen, wenn Sie Ihrem Bericht noch etwas hinzuzufügen haben.«
    »Da Sie falsche Schlüsse aus meinem Bericht gezogen haben, habe ich noch viel hinzuzufügen. Darren Burkhalter leidet unter einer posttraumatischen Stressreaktion, aus der sich langandauernde psychische Probleme entwickeln können. Kurze Spieltherapie und eine Beratung der Mutter haben zu einer gewissen Abschwächung der Symptome geführt, aber eine weitere Behandlung ist angezeigt.« Zu den anderen Anwälten. »Ich sage nicht, dass chronische psychische Probleme unvermeidlich sind, aber ich schließe es auch nicht aus. Kein vernünftiger Experte würde das tun.«
    »Ach, um Gottes willen«, sagte Moretti, »das Kind ist zwei Jahre alt.«
    »Sechsundzwanzig Monate.«
    »Das bleibt sich gleich. Er war achtzehn Monate zum Zeitpunkt des Unfalls. Sie sagen mir, dass Sie bereit sind, vor Gericht zu gehen und unter Eid auszusagen, dass er, wenn er sechsundzwanzig Jahre alt ist, von einem Unfall psychisch betroffen sein könnte, der stattfand, als er ein Baby war?«
    »Das genau sage ich. Eine so intensive und brutale traumatische Szene, die in seinem Unterbewusstsein weiterlebt -«
    Moretti räusperte sich abschätzig: »Wie sieht ein Unterbewusstsein aus, Doktor? Haben Sie schon mal eins gesehen?«
    »Trotzdem haben Sie eins, Mr.

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