Sharon: die Frau, die zweimal starb
apfelgrünen Jadeschmuck, hauchdünne schwarze Strümpfe und schwarze Ballettschuhe.
»Danke, dass Sie uns empfangen«, sagte Larry.
»Das Vergnügen ist ganz auf unserer Seite, Larry«, sagte der Mann. »Lange her. Entschuldigung, Sie sind jetzt Doktor Daschoff, nicht wahr?«
»Doktor phil.«, sagte Larry. »Kein besonderes Verdienst.«
»Nein, nein«, sagte der Mann und wackelte mit dem Finger. »Sie haben es verdient - seien Sie stolz!« Er schüttelte Larrys Hand. »Eine Menge Therapeuten gibt’s ja in L.A. Kommen Sie gut zurecht?«
»Oh, Gordie, sei nicht so direkt«, warf die Frau ein.
»Mir geht’s gut, Gordon«, sagte Larry. Dann wandte er sich an sie: »Hallo, Chantal. Lange her.«
Sie streckte die Hand aus. »Lawrence.«
»Dies ist Dr. Alex Delaware, ein alter Freund und Kollege. Alex, Chantal und Gordon Fontaine.«
»Alex«, sagte Chantal und knickste: »Entzückt.«
Sie nahm meine Hand in ihre beiden Hände. Ihre Haut war heiß, samtweich und feucht. Sie hatte große nussbraune Augen und eine festgezogene Kinnlinie. Ihr Make-up war dick, fast wie Kreide, konnte die Falten aber nicht verbergen. Und es war ein Schmerz in ihren Augen - sie lebte in der Vergangenheit, als sie ein Star gewesen war.
»Schön, Sie kennenzulernen, Chantal.«
Sie drückte meine Hand fest und ließ sie dann sofort wieder los.
Ihr Mann sah mich von oben bis unten an und fragte: »Sie haben ein fotogenes Gesicht, Doktor. Jemals als Schauspieler gearbeitet?«
»Nein.«
»Ich frage nur, weil es scheint, dass in L.A. jeder irgendwann in seinem Leben mal gespielt hat.« Zu seiner Frau: »Ein gutaussehender Junge, Liebes.« Er legte den Arm um ihre Schulter. »Dein Typ, würdest du nicht sagen?«
Chantal schenkte ihm ein kaltes Lächeln.
Gordon sagte mir: »Sie hat etwas für Männer mit krausem Haar übrig.« Er fuhr sich mit der Hand über sein eigenes glattes - hob die Perücke auf und enthüllte seinen nackten Skalp. »So wie meins früher mal war. Nicht wahr, Liebes?«
Er ließ das Haarteil sinken und klopfte es zurecht. »So, hat Larry Ihnen von unserer kleinen Sammlung erzählt?«
»Nur andeutungsweise.«
Er nickte. »Sie wissen, was die Leute sagen, dass das Erwerben von Kunst auch eine Kunst ist. Nun, das ist purer Blödsinn, aber man braucht eine gewisse Entschlossenheit, um sinnvoll Stücke zu erwerben, und wir haben wie der Teufel gearbeitet, um das zu schaffen.« Er streckte die Arme aus, als segne er den Raum. »Was Sie hier sehen, hat zwei Jahrzehnte gekostet, und ich will Ihnen nicht sagen, wie viele Dollars zusammengerechnet.«
Ich wusste, was ich zu sagen hatte: »Ich würde sie wahnsinnig gern sehen.«
Die nächste halbe Stunde verbrachten wir mit einem Rundgang durch den schwarzen Raum.
Jedes Genre der Pornografie war präsent, eine erstaunliche Fülle und Vielfalt, mit höchster Präzision katalogisiert und beschriftet. Gordon Fontaine eilte voraus, führte uns mit Begeisterung, in der Hand die Fernsteuerung, mit der er Lichter an- und ausschalten, Schränke auf- und zuriegeln konnte. Seine Frau folgte ihm in einem Abstand, machte Larry und mir versteckte Andeutungen, lächelte viel.
»Schauen Sie mal.« Gordon rollte eine Lade auf, in der Drucke lagen, und band mehrere Mappen mit erotischen Lithografien auf, die man erkannte, auch ohne dass man die Signaturen las: Dali, Beardsley Grosz, Picasso.
Wir gingen weiter zu einem mit einer Alarmanlage versehenen Glaskasten, der alte englische Handschriften auf Pergament enthielt, die mit kopulierenden Bauern und umhertollenden Farmtieren illuminiert waren.
»Prä-Guttenberg«, sagte Gordon. »Chaucersche Apokryphen. Chaucer war ein höchst sexueller Schriftsteller. Das bringen sie einem aber nicht in der Highschool bei.«
Andere Schubladen waren mit erotischen Skizzen aus der italienischen Renaissance und der japanischen Kunst gefüllt - Aquarelle mit Kurtisanen im Kimono und stoische Männer mit einem Haarknoten auf dem Kopf, die ein übertriebenes sexuelles Rüstzeug mit sich herumschleppten.
»Überkompensation«, sagte Chantal. Sie stieß meinen Arm an.
Man zeigte uns Auslagen mit Fruchtbarkeitssymbolen, erotische Holzdrucke, eheliche Hilfsmittel, antike Damenunterwäsche. Nach einer Weile verschwamm es mir vor den Augen.
»Diese da haben Brenda Allens Mädchen angehabt«, sagte Gordon und zeigte auf ein paar vergilbte seidene Teile. »Und diese roten da sind aus einem Bordell in New Orleans, wo Scott Joplin Klavier spielte.« Er
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