Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
Eingang, klein, um die dreißig, Brille, das Haar in einem Knoten.
    »Ja?«
    »Dr. Daschoff und Dr. Delaware zu Mr. und Mrs. Fontaine.«
    »Ja«, sagte das Hausmädchen. »Kommen Sie herein.«
    Wir traten in einen acht Meter hohen Rundbau ein, der mit Schäferszenen ausgemalt war: blauer Himmel, grünes Gras, wuschelige Schafe, Heuhaufen, ein Schäfer, der unter den ausladenden Ästen einer Platane saß und Flöte spielte.
    Vor dem Gemälde saß eine nackte Frau in einem Liegestuhl - fett, mittelalt, graues Haar, klumpige Beine. Sie hielt einen Schreibstift in der einen, ein Kreuzworträtselbuch in der anderen Hand, reagierte nicht auf unser Eintreten.
    Das Dienstmädchen sah uns starren und klopfte mit dem Knöchel an den grauen Kopf.
    Hohl.
    Skulptur.
    »Ein Original-Lombardo«, sagte sie. »Sehr teuer. Wie das …« Sie zeigte nach oben. Von der Decke hing etwas, das ein Calder-Mobile zu sein schien. Herumgewunden waren Weihnachtsbaumbirnen - ein selbstgebauter Kronleuchter.
    »Eine Menge Geld«, erklärte das Hausmädchen.
    Direkt vor uns lag eine mit smaragdgrünem Teppich ausgelegte Treppe, die nach links führte. Der Raum unter der Treppe endete vor einem hohen chinesischen Schirm. Auch die anderen Räume waren mit Schirmen vollgestopft.
    »Kommen Sie«, sagte das Dienstmädchen. Sie wandte sich um. Ihre Uniform hatte keinen Rücken und war bis zur Hinternfalte ausgeschnitten. Eine Menge nackte braune Haut. Larry und ich sahen einander an. Er zuckte die Achseln.
    Sie faltete einen Teil des chinesischen Schirms auf und führte uns durch einen sieben Meter langen Gang zu einem weiteren Vorhang. Aus ihrem Gang wurde ein Schlendern, und wir folgten ihr durch die Halle hindurch zu einer grünen Metalltür. In der Wand waren ein Schlüsselloch und ein Sicherungskasten. Sie legte die Hand darüber, während sie mit der anderen einen fünfstelligen Code drückte, einen Schlüssel hineinsteckte, ihn umdrehte - und die Tür ging auf. Wir betraten einen kleinen Fahrstuhl mit gestepptem Goldbrokat an den Wänden, auf dem kleine Elfenbeinschnitzereien mit Szenen aus dem Kamasutra hingen. Ein Knopfdruck, und wir sanken hinunter. Wir drei standen Schulter an Schulter. Das Mädchen roch nach Babypuder. Sie sah gelangweilt aus.
    Wir kamen in einen kleinen, dunklen Vorraum und folgten ihr durch lackierte japanische Doppeltüren.
    Auf der anderen Seite war ein hochwandiger, fensterloser Raum, wenigstens achthundert bis neunhundert Quadratmeter groß und mit schwarzem, lackiertem Holz getäfelt, still und kühl und kaum erleuchtet.
    Als meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte ich Einzelheiten erkennen: Lesetische, Karteien, Schaukästen und Bibliotheksleitern, alles in demselben Ebenholzfinish. Über uns eine flache Decke aus schwarzem Kork. Unter uns dunkler, teppichbedeckter Fußboden. Das einzige Licht kam von den mit grünen Schirmen versehenen Bankierslampen auf den Tischen. Ich hörte das Summen der Klimaanlage. Sah Deckensprinkler, Rauchdetektoren. Ein großes Barometer an der Wand.
    Ein Raum, dazu bestimmt, Schätze zu verbergen.
    »Danke dir, Rosa«, sagte eine näselnde Stimme am anderen Ende des Raums. Ich kniff die Augen zusammen und sah menschliche Umrisse: einen Mann und eine Frau, die nebeneinander an einem der ferneren Tische saßen.
    Das Mädchen verbeugte sich, drehte sich um und wackelte fort. Als sie weg war, sagte dieselbe Stimme: »Kleine Rosie Ramos - sie war ein echtes Talent in den Sechzigern. PX Mamas. Ginza Girls. Choose One From Column X.«
    »Gutes Personal ist so selten heute«, flüsterte Larry. Laut sagte er: »Guten Tag zusammen.«
    Das Paar stand auf und kam dann auf uns zu. Drei Meter entfernt wurden ihre Gesichter deutlich wie bei Filmschauspielern nach einer Aufblende.
    Der Mann war älter, als ich erwartet hatte - siebzig oder nah dran, klein und stämmig mit dichtem weißem Haar, das zurückgekämmt war, und einem Kinnladengesicht à la Xavier Cugat. Er trug eine Brille mit schwarzem Rahmen, ein weißes Guayabera-Hemd über braunen Hosen und Mokassins.
    Sogar ohne Schuhe war die Frau fünfzehn Zentimeter größer als er. Ende fünfzig, schlank, mit feinen Gesichtszügen, einer eleganten Körperhaltung, kurzem pudelkopfrotem Wuschellockenhaar, das natürlich gelockt wirkte, und der etwas hellen, sommersprossigen Haut, die leicht blaue Flecke bekommt. Ihr Kleid war ein zitronengelbes thailändisches Seidengewand mit einem Drachenbild und einem Mandarinkragen. Sie trug

Weitere Kostenlose Bücher