Sharon: die Frau, die zweimal starb
Kamera, wie ein Kind einen zerquetschten Käfer anstarrt.
Die Kamera fuhr zurück. Sharon tanzte eine Pirouette, sah in den Spiegel, zupfte an ihrem Haar. Dann ein schneller Zoom - noch mehr Schmollmund, große Augen starren hinaus, den Zuschauer an.
Bohren sich in meine.
Eine Ganzaufnahme, Schwenk auf Hintern, ein paar schnelle Schwenke vom Mund zu den Händen, zum Busen.
Schauderhaft, das Billigste vom Billigen. Aber auf perverse Art magisch - sie war wieder zum Leben erwacht da oben -, sie lächelte und winkte, unsterblich gezeugt in Licht und Schatten. Ich musste mich bezähmen, nicht die Hände auszustrecken, um sie zu berühren. Wollte sie plötzlich aus der Leinwand herausreißen und zurückziehen in die Zeit. Sie retten.
Ich klammerte mich an die Armlehnen. Mein Herz klopfte, Rauschen in den Ohren wie Winterflut.
Sie streckte sich, träge und lässig, und leckte sich die Lippen. Die Kamera ging so nah heran, dass ihre Zunge wie eine riesige Meeresschnecke aussah. Mehr Großaufnahmen: feuchte weiße Zähne. Eine zielbewusste Beugung vorwärts, aufblitzende Busenfalte. Mondkrater-Brustwarzenlandschaft. Hände, die Brüste streichelten und zwickten.
Sie wand sich schlangengleich, stellte sich zur Schau, genoss es offensichtlich, im Rampenlicht zu stehen.
Lass das Licht an. Ich will es sehen. Alles.
Ich dachte an die Spiegel im Badezimmer und fing an zu schwitzen. Schließlich half es, sich auf die Zappligkeit und das unablässige Zoomen zu konzentrieren - so wurde sie für mich wieder zu etwas Zweidimensionalem.
Ich atmete aus, schloss die Augen, wollte einen gewissen Abstand wahren. Bevor ich ganz eingeatmet hatte, fiel etwas auf mein Knie und blieb dort liegen - Chantals Hand. Ich sah sie aus dem Augenwinkel heraus an. Sie starrte geradeaus, den Mund leicht geöffnet.
Ich tat nichts, hoffte, sie würde nicht anfangen zu suchen. Ließ den Blick wieder auf die Leinwand zurückkehren.
Sharon vollführte einen langsamen, gewundenen Striptease, pellte sich herunter bis zu einem schwarzen Hüftgürtel, Netzstrümpfen und hochhackigen Schuhen - eine Frederick’s-of-Hollywood-Parodie -, berührte sich, bog sich, spreizte die Beine und kniete, alles für die Kamera.
Ich sah ihre Hände sich bewegen. Spürte sie.
Aber etwas stimmte nicht. Etwas mit ihren Händen …
Je mehr ich darüber nachdachte, was es war, umso weiter entfernte es sich. Ich gab’s auf, dachte, ich würde es leichter erfahren, wenn ich nicht verkrampft danach suchte.
Die Kamera wurde gynäkologisch, bewegte sich aufwärts, zentimeterweise.
Sharon, jetzt auf dem Untersuchungstisch, streichelte sich, sah hinunter auf ihre Scham.
Die Kamera schwenkte zum Türknopf, als er sich drehte. Die Tür ging auf. Ein großer, dunkler, breitschultriger Mann kam herein, mit einem Notizblock. Ende dreißig, langer weißer Mantel, Kopflampe und Stethoskop. Ein schmales, hungriges Gesicht - Schlitzaugen, gebrochener Nasenrücken, schmale Lippen und breiter Mund. Fünfuhrbartschatten. Die Augen flitzten unruhig umher, es waren die Augen eines Einbrechers auf dem Raubzug. Er hatte sich die Haare so stark gegelt, dass sie wie geputzte Schuhe glänzten, und einen Mittelscheitel gezogen. Ein bleistiftstrichschmaler Moustache bedeckte seine ganze Oberlippe.
Klassiker: Gigolo trifft eine dumme Blondine.
Er starrte Sharon an, hob die Augenbrauen, spielte für die Kamera einen Straßenräuber.
Sie zeigte auf ihre Scham, tat so, als ob sie etwas schmerzte.
Er kratzte sich am Kopf, zog seinen Notizblock zu Rate, dann legte er ihn hin und nahm das Stethoskop ab. Er stand über sie gebeugt, kniete sich nieder und tat den Kopf zwischen ihre Beine, bohrte und stocherte. Sah hoch, zuckte die Achseln.
Sie zwinkerte die Kamera an, stieß seinen Kopf hinunter, wand und krümmte sich.
Er hob den Kopf, tat, als ringe er um Luft. Sie stieß ihn wieder hinunter. Der Rest war vorhersagbar - Großaufnahme seiner Hose mit der Erektion drin, sie drückte ihn hinunter, saugte die Fingerspitzen ihrer einen Hand.
Sie stieß ihn weg, zerrte an seinem Reißverschluss. Die Hose fiel hinunter auf die Knöchel. Sie zog ihm die Jacke aus. Er trug kein Hemd; trug nur eine Krawatte. Sie zog an der Krawatte, bis er schwankte. Nahm ihn oral mit weit aufgerissenen Augen und schluchzte.
Als er auf den Tisch kam und sie bestieg, fingen Chantals Finger an, spinnenhaft meinen Schenkel heraufzuspazieren. Ich legte die Hand darauf, verhinderte weiteren Vormarsch, drückte sie zart und
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