Sharon: die Frau, die zweimal starb
legte sie dann vorsichtig in ihren Schoß zurück. Sie gab keinen Ton von sich, bewegte keinen Muskel.
Komische schnelle Positionswechsel. Großaufnahmen von ihren beiden Gesichtern, die verzerrt waren. Er sagte etwas - gab ihr das Stichwort -, eine Reihe von schnellen Stößen, Rückzug, der milchige Beweis des Orgasmus flog durch die Luft.
Sie nahm etwas vom Bauch auf, leckte sich die Finger.
Zwinkerte wieder der Kamera zu.
Leere Leinwand.
Ein Check-up, der ausartete. Weiterbehandlung …
Ich rang nach Luft, war wütend. Traurig.
Der Raum blieb zum Glück dunkel.
»Nun«, sagte Gordon. »Das war’s.«
Chantal stand rasch auf, glättete ihr Kleid. »Entschuldigen Sie mich. Ich habe zu tun.«
»Alles in Ordnung, Darling?«
»Einfach toll, Dearie.« Sie küsste ihn auf die Wange, knickste und sagte: »Schön, Sie wiedergesehen zu haben, Lawrence. War nett, Sie kennenzulernen, Dr. Delaware.« Sie verließ den Raum.
»Der verstorbene Mickey Starbuck«, sagte ich. »Wie hat es ihn erwischt?«
Gordon starrte noch immer seiner Frau hinterher. Ich musste die Frage wiederholen.
»Kokainüberdosis, vor mehreren Jahren. Der arme Mickey wollte den Durchbruch in den richtigen Film schaffen, aber er schaffte ihn nicht - es gibt da eine fürchterliche Diskriminierung von Sexfilmstars. Er fuhr schließlich Taxi. Eine empfindliche Seele, wirklich ein ausgesprochen feiner junger Mann.«
»Zwei Schauspieler, zwei Selbstmorde durch Überdosis«, bemerkte Larry. »Klingt nach Pech.«
»Unsinn«, sagte Gordon scharf. »Sexfilme sind ein Geschäft, wie alles im Showbusiness. Zerbrechliche Egos, instabil, große Aufschwünge, große Abstürze. Manche Leute schaffen’s nicht.«
»Die Produktionsgesellschaft?«, fragte ich. »Creative Image Associates - ein Ableger Kruses?«
Gordon nickte. »Protektion. Komisch von mir, nicht zu merken, dass etwas faul war, als er es aufzog - wenn er wirklich eine Genehmigung der Universität hatte, warum brauchte er dann noch einen Deckmantel? Als ich das fertige Produkt sah, wusste ich, was er getan hatte, aber ich habe ihn nicht zur Rede gestellt - er war der Doktor, der Experte. Ich hielt ihn für brillant, für einen Visionär. Ich dachte, er wäre ernsthaft engagiert.«
»Was hat er getan?«
»Setzen Sie sich, und ich zeige es Ihnen.« Er kehrte in den hinteren Teil des Vorführraums zurück, der Raum wurde wieder dunkel, und ein anderer Film kam auf die Leinwand.
Er hatte weder einen Titel, noch wurden die Darsteller genannt, es war nur grobkörniges Material mit einer zappligen Handlung, die Kameraarbeit noch amateurhafter als bei dem ersten, aber deutlich dessen Inspirationsquelle.
Die Szene: die Praxis eines Arztes, dieselbe Art von Einrichtung, dasselbe Quadrat mit gerahmten Diplomen.
Die Stars: eine tolle Frau mit gewelltem Blondhaar, langen Beinen, knackige Figur, aber etliche Zentimeter kleiner als Sharon, feinknochiger, das Gesicht etwas voller.
Ähnlich genug, dass sie Sharons Zwillingsschwester hätte sein können.
Zwillingsschwester. Shirlee. Nein, das war unmöglich. Die Shirlee, die ich kennengelernt hatte, war seit ihrer Kindheit verkrüppelt …
Wenn Sharon die Wahrheit erzählt hatte.
Großes Wenn.
Film Nummer zwei flackerte wie frühes Kintopp: Striptease, Haarzupfen, ein großer Mann kam zur Tür herein.
Großaufnahme von ihm; um die vierzig, glänzendes Haar, bleistiftdünner Oberlippenbart. Weißer Mantel, Stethoskop, Notizblock.
Eine vage Ähnlichkeit mit dem verstorbenen Mickey Starbuck, aber nichts Auffallendes.
Und kein Grinsen. Der Arzt schien wirklich überrascht beim Anblick der nackten Blondine, die auf dem Tisch alle viere von sich streckte.
Auch keine Sprunghaftigkeit der Handlung. Eine feste Kameraposition, volle Totalen und gelegentliche Nahaufnahmen, die weniger der Erotik als der Identifizierung der Darsteller dienten.
Seiner Identifizierung.
Die Blondine erhob sich und rieb sich an dem Doktor. Zeigte sich, kniff sich in die Brustwarzen, stellte sich auf die Fußspitzen und leckte an seinem Hals.
Er schüttelte den Kopf, zeigte auf die Armbanduhr.
Sie drückte ihn an sich, wiegte sich in den Hüften.
Er wich wieder zurück, dann ließ die Spannung seines Körpers nach - als ob etwas auftaute. Er ließ sich streicheln.
Sie übernahm.
Dann der ganze Fortlauf wie in Sharons Film.
Aber anders.
Weil dieser nicht gestellt war. Der Doktor spielte nicht.
Kein Straßenräuber für die Kamera, weil er nicht wusste, dass da eine Kamera
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