Sharon: die Frau, die zweimal starb
ihr gesagt hat?«, fragte ich. »Er hatte Zugang zum Archiv der Fontaines, könnte Filme durchgesehen und Linda Laniers Video entdeckt haben. Ihre Ähnlichkeit mit Sharon war groß - er kombinierte richtig. Dann, als er wegen der Lanier nachforschte, erfuhr er ein paar unangenehme Einzelheiten, vielleicht sogar etwas mit Erpressung. Sharon hat mir etwas über reiche, elegante Eltern vorgeschwindelt. Sieht aus, als ob sie sich vor der Realität versteckte. Kruse kann ihr den Film gezeigt haben, als sie unter Hypnose stand, hat ihn dazu benutzt, sie ganz zu zerbrechen, völlig seiner Kontrolle zu unterwerfen. Dann schlug er ihr eine Methode vor, wie sie sich durch das Trauma durcharbeiten konnte - indem sie einen Film von sich selbst drehte - kathartisches Rollenspiel.«
»Hundesohn, verdammter«, fluchte er. Dann: »Sie war ein smartes Mädchen, Alex. Wie konnte sie darauf reinfallen?«
»Smart, aber verkorkst - die Borderline-Charakteristiken, von denen wir gesprochen haben. Und du selbst hast mir ja erzählt, wie überzeugend Kruse wirkte - er hatte radikale Liberale so weit gebracht, dass sie meinten, eine Frau auszupeitschen sei etwas Edles. Das waren Frauen, die er zufällig kannte. Er war Sharons Studienberater, ihr Trainingstherapeut, und sie blieb bei ihm, nachdem sie ihren Doktor gemacht hatte, dann als seine Assistentin. Ich habe die Beziehung zwischen ihnen nie richtig verstanden, aber ich glaube, sie war intensiv. Der Film wurde gedreht, bald nachdem sie nach L.A. gekommen war, was heißt, dass er sie von Anfang an in seiner Gewalt hatte.«
»Vielleicht kannte er sie schon davor«, sagte er.
»Vielleicht.«
»Therapie plus Spritzen.« Er sah böse aus. »Unser verehrter Fachbereichsleiter ist ein echter Prinz.«
»Meinst du, die Universität würde seine Methoden gutheißen?«
»Ihn mal ein bisschen verpfeifen?« Er zupfte sich am Schnurrbart. »Brenda sagte mir, die Gesetze gegen Verleumdung seien ganz verdammt verwickelt. Kruse hat Geld - er könnte uns jahrelang mit Gerichtsverfahren die Hölle heiß machen -, und wie es auch ausginge, wir wären am Ende die Dummen. Bist du zu so etwas bereit?«
»Ich weiß es nicht.«
»Also, ich nicht. Soll die Universität doch ihre verdammte Detektivarbeit selbst erledigen.«
»Soll doch jeder auf sich selbst achtgeben?«
Er legte die Hand auf den Türgriff, sah eingeschnappt aus. »Sieh mal, Alex, du bist schon fast im Ruhestand, bist dein eigener Herr, hast eine Menge Freizeit und kannst dir Pornofilme ansehen. Ich habe fünf Kinder, eine Frau, die Jura studiert, Bluthochdruck und eine Hypothek abzustottern. Verzeih mir, dass ich nicht den Kreuzritter spielen möchte, okay?«
»Okay«, sagte ich. »Schon gut.«
»Glaub mir, die Realität zerquetscht mir immer mal wieder die Eier.«
Er stieg in den Wagen.
»Wenn ich irgendwas tue«, sagte ich, »lasse ich dich außen vor.«
»Guter Gedanke.« Er sah auf die Uhr. »Muss dringend los. Kann nicht sagen: ein Begeisterungsschrei pro Minute; aber es war gewiss mal was anderes.«
Zwei Filme. Noch eine Beziehung zu einem toten Milliardär. Und zu einem als Therapeut getarnten Amateurfilmproduzenten.
Ich fuhr nach Haus, entschlossen, Kruse zu erreichen, bevor ich am nächsten Tag nach San Luis flog. Der Bastard würde reden, so oder so. Ich versuchte es wieder in seinem Büro. Immer noch keine Antwort. Ich wollte die Sammelnummer der Universität anrufen, als das Telefon läutete.
»Hallo.«
»Dr. Delaware, bitte.«
»Am Apparat.«
»Dr. Delaware, hier spricht Dr. Leslie Weingarden. Ich habe hier Probleme, bei denen Sie mir vielleicht behilflich sein könnten, dachte ich.«
Sie würgte diesen Satz hervor, als stünde sie kurz vorm Zusammenbruch.
»Was für Probleme, Dr. Weingarden?«
»Hat mit unserem Gespräch zu tun«, sagte sie. »Ich möchte lieber nicht am Telefon darüber reden. Würde es Ihnen was ausmachen, irgendwann heute Nachmittag in meine Praxis hinunterzukommen?«
»Geben Sie mir zwanzig Minuten«, sagte ich.
Ich wechselte das Hemd, band eine Krawatte um, rief meinen Auftragsdienst an und erfuhr, dass Olivia Brickerman eine Nachricht hinterlassen hatte.
»Sie sagte, ich soll Ihnen ausrichten, das System sei im Eimer, was auch immer das heißen mag«, sagte die Frau. »Sie besorgt Ihnen das, was Sie haben wollen, sobald es wieder im Angebot ist.«
Ich dankte ihr und hängte auf. Zurück nach Beverly Hills.
Zwei Frauen saßen lesend im Warteraum. Keine schien guter
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