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Sharpes Beute

Titel: Sharpes Beute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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ein Nichts«, wandte Astrid ein.
    »Ich war nichts.« Sharpe klang ärgerlich. »Ich wurde ins Nichts geboren, ins Nichts aufgezogen und man erwartete nichts von mir. Aber ich hatte ein Talent. Ich kann töten.«
    »Das ist nicht gut.«
    »So wurde ich Soldat, und ich lernte, wann ich töten muss und wann nicht. Ich wurde etwas, ein Offizier, aber jetzt will man mich nicht mehr. Ich bin kein Gentleman, verstehen Sie? Ich bin nicht wie Lavisser. Er ist ein Gentleman.« Er wusste, dass er neidisch und ärgerlich geklungen hatte, und war verlegen. Er hatte auch den Grund vergessen, warum er mit Astrid zusammen war, und er wandte sich mit einem Schuldgefühl um und blickte zu den Leuten, die die Sommerluft auf der Esplanade der Festung genossen, aber niemand schien ihnen verdächtige Aufmerksamkeit zu widmen, kein Franzose schlich herum und von Barker oder Lavisser war nichts zu sehen. »Es tut mir leid, Ma'am«, sagte er.
    »Warum?«
    »Der Gezeitenstrom hat sich geändert«, wechselte Sharpe das Thema und nickte zu dem Kanonenboot hin. »Diese Jungs kommen jetzt besser voran.«
    »Wir sollten auch besser vorankommen«, sagte Astrid und erhob sich. Dann lachte sie. »Sie geben mir das Gefühl, sehr reich zu sein.«
    »Reich? Warum?«
    »Einen Diener zu haben, der den Korb trägt. Nur die Leute, die in Amaliengade oder Bredgade wohnen, können sich solch einen Luxus leisten.«
    Sie gingen westwärts, machten einen Bogen um die Zitadelle, bis sie in ein ärmeres Viertel der Stadt gelangten, wo die Häuser schlicht, aber sauber waren. Die einstöckigen Häuser waren alle im gleichen Stil erbaut, mit bunten Fassaden und in gutem Zustand.
    »Dies ist eine Siedlung für Matrosen«, sagte Astrid. »Nyboder heißt sie. Alle Häuser mit Öfen. Einer für jeweils zwei Häuser. Es ist gemütlich, meine ich.«
    »Die Vielfalt der Farben ist sehr nett.«
    »Mein Vater war der Sohn eines Matrosen. Er wuchs in dieser Straße auf. Svanegaden. Er war sehr arm, verstehen Sie?« Sie sah ihn mit großen Augen an, versuchte ihm offenbar zu versichern, dass sie nicht reicher geboren war als er. Aber Svanegaden war im Vergleich zu Wapping ein Paradies, fand Sharpe.
    »Betrachten Sie dies als ein armes Viertel?«, fragte er.
    »O ja«, sagte Astrid ernst, »und ich weiß über diese Dinge Bescheid. Vater ist einer der Leiter einer Wohlfahrtsorganisation für Arme, und ich helfe ihm bei der Korrespondenz.«
    Das Waisenhaus befand sich am Rande von Nyboder, nahe beim Seemannsfriedhof, auf dem Astrids Sohn begraben war. Astrid pflegte das kleine Grab, dann neigte sie den Kopf, und Sharpe hätte sie am liebsten in die Arme genommen, als er sah, dass Tränen über ihre Wangen rannen. Stattdessen trat er zurück und ließ sie mit ihrer Trauer allein.
    Er beobachtete die Möwen, die um die Zitadelle kreisten, und dachte an Grace. Er fragte sich, ob über ihrem Grab ebenfalls Vögel flogen. Sie war in Lincolnshire im Familiengrab der Eltern ihres toten Mannes und unter einer Gedenktafel, auf der Lord William Hales Tugenden aufgezählt wurden, beigesetzt worden. Sharpe stellte sich vor, dass ihr Geist über ihm schwebte. Würde Grace es billigen, dass er sich zu Astrid hingezogen fühlte?
    Er wandte sich um und schaute zu der Witwe, die versunken vor dem kleinen Grab stand, und wusste, dass er sich verliebt hatte. Es war, als ob Liebe aus dem Hass und der Wut entstanden war, die ihn seit Graces Tod beherrscht hatten.
    Astrid richtete sich auf und lächelte ihn an. »Kommen Sie«, sagte sie, »Sie müssen die Kinder kennenlernen.«
    Sie führte ihn zu dem Hospital, in dem ihr Sohn gestorben war, und Sharpe konnte kaum glauben, dass es ein Waisenhaus war. Hier war nichts wie in Brewhouse Lane. Es gab keine hohe Mauer und kein mit Eisenspitzen gesichertes Tor, obwohl die oberen Fenster mit Eisengittern versehen waren. »Die Gitter dienen dazu, dass die Draufgänger gezähmt werden«, erklärte Astrid. »Manchmal wollen die älteren Jungs auf das Dach klettern.«
    »Es ist also kein Gefängnis?«
    »Natürlich nicht.« Sie lachte bei dem Gedanken. Tatsächlich sah das Waisenhaus nicht wie ein Gefängnis aus. Das zweistöckige Gebäude war weiß angestrichen und um einen Hof gebaut, in dem Blumen auf gut gepflegten Beeten wuchsen. Es gab eine kleine Kapelle mit einer Orgel, einen schlichten Altar und ein hohes Buntglasfenster, das Christus zeigte, umgeben von kleinen Kindern mit goldenen Haaren.
    »In bin in einem solchen Haus aufgewachsen«, sagte

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