Sharpes Beute
Verlegenheit zeigte sich auf seinem Gesicht.
»Mister Sharpe«, sagte er, denn jetzt musste er Sharpes Anwesenheit zur Kenntnis nehmen.
»Sir.«
»Sie sind immer noch bei uns?«
Sharpe erwiderte nichts. Er hatte den General seit drei Jahren, seit Indien, nicht mehr gesehen, und er bemerkte nicht dessen Verlegenheit, denn er war sich Wellesleys Missbilligung zu sehr bewusst. Grace war eine Cousine Wellesleys gewesen, eine sehr entfernte Cousine, doch die Feindseligkeit ihrer Familie hatte sich sehr weit ausgebreitet, und Sharpe war sich sicher, dass Sir Arthur sie geteilt haben musste.
»Es gefällt Ihnen bei den Schützen, nicht wahr, Sharpe?«, fragte Wellesley. Er blickte die Straße hinauf, während er sprach.
»Jawohl, Sir.«
»Das dachte ich mir«, sagte Wellesley. »Und wir werden heute sehen, wie nützlich Ihre neuen Waffen sind, wie?« Der General hatte, wie die meisten Offiziere in der britischen Armee, noch nie die Büchsen mit gezogenem Lauf im Einsatz gesehen. »Wo, zum Teufel, ist Linsingen? Nicht mal eine verdammte Botschaft!« Er spähte durch das Fernrohr zu den Dänen. »Würden Sie sagen, Sie bereiten sich auf einen Marsch vor?« Er stellte die Frage seinen Adjutanten, und einer von ihnen sagte, er glaube einen Bagagewagen hinter dem feindlichen Geschützen zu sehen. »Dann werden wir verdammt ohne Linsingen auskommen müssen. Zu Ihren Regimentern, Gentlemen.« Er sprach zu den Infanterie-Offizieren im roten Rock, die sich bei den Geschützen versammelt hatten. »Guten Tag, Sharpe!« Er zog sein Pferd herum und ritt davon.
»Sie kennen ihn gut, wie?« Captain Dunnett war neidisch, weil der General mit Sharpe gesprochen hatte, und konnte sich die Frage nicht verkneifen.
»Ja«, sagte Sharpe knapp.
Zum Teufel mit dir, dachte Dunnett, während Sharpe daran dachte, dass er den General eigentlich überhaupt nicht kannte. Er hatte oft genug mit ihm gesprochen, hatte ihm einmal das Leben gerettet und als Belohnung dafür das Fernrohr erhalten, aber er kannte ihn nicht. Da war etwas zu Kaltes und Furchterregendes an Sir Arthur, doch Sharpe war trotzdem froh, dass der Mann heute das Kommando hatte. Wellesley war gut, so einfach war das, einfach gut.
»Bleiben Sie zur Rechten«, befahl Dunnett Sharpe, »mit Sergeant Filmer.«
»Jawohl, Sir.«
Dunnett hätte gern gewusst, warum Sharpe ein Gewehr trug, doch er verzichtete darauf, zu fragen. Der Mann fühlt sich immer noch in den Mannschaften, dachte er.
Sharpe, als Offizier, hätte kein Gewehr zu tragen brauchen, doch er mochte die Baker-Büchse, und so hatte er eine aus dem kleinen Waffenschrank vom Sanitätsoffizier des Regiments genommen, das einem seiner Patienten gehörte. Die Büchse war viel handlicher als eine Muskete, treffgenauer und von brutaler Wirksamkeit, weshalb Sharpe sie schätzte.
Sergeant Filmer nickte Sharpe grüßend zu. »Schön, dass Sie wieder zurück sind, Sir.«
»Captain Dunnett hat mich geschickt, damit ich mich um Sie kümmere.«
Filmer grinste. »Sie werden uns Tee machen, wie? Und uns zu Bett bringen?«
»Nein, nur einen Spaziergang mit Ihnen machen, Lofty. Nur den Hügel rauf.«
Filmer blickte zu dem fernen Feind. »Taugen die was?«
»Wer weiß? Die Miliz nicht, aber die Jungs dort scheinen von der regulären Truppe zu sein.«
»Na, das finden wir schnell genug heraus«, sagte Filmer. Der Mann mit dem Spitznamen Lofty war klein und im Regiment als sehr fähig bekannt. Er schabte den Kolben einer Tonpfeife aus, dann zog er aus seiner Tasche Honiggebäck hervor und bot Sharpe ein Stück davon an. »Frisch, Sir. Habe das in einem Haus im letzten Dorf gefunden.«
Sharpe ließ es sich schmecken. »Man wird dich hängen, wenn man dich erwischt, Lofty.«
»Sie haben gestern ein paar Jungs aufgehängt, nicht wahr? Die dummen Kerle haben sich erwischen lassen.« Er spuckte ins Gras. »Stimmt es, dass es gleich hinter dem Horizont eine Stadt gibt, Sir?«
»Ja, die heißt, glaube ich, Köge«, sagte Sharpe und dachte, dass er bei seiner Flucht vor Lavisser in der Nähe dieser Stadt gewesen sein musste.
»Verdammt blöde Namen gibt es hier, Sir.« Filmer überprüfte seine Büchse. »Hab's etwas eingeölt, weil ich annehme, dass es hier bei der See ein bisschen feucht wird.« Er blickte zu seinen Männern. »Schlaft nicht ein, ihr blöden Penner, es gibt gleich Arbeit für euch.«
Die Artilleristen hatten ihre Geschütze geladen und standen jetzt zum Feuern bereit, während sich das 92. beim Strand zu einer Linie
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