Sharpes Festung
mich nicht an ihren Namen erinnern. Die hatten Sie doch ziemlich ins Herz geschlossen, nicht wahr?«
»Simone, Sir? Sie ist in Seringapatam, Sir. Das schien der beste Ort für sie zu sein.«
»Ganz recht, ganz recht.«
Simone Joubert war bei Assaye Witwe geworden, wo ihr Mann, der Sindhia gedient hatte, ums Leben gekommen war. Sie war Sharpes Geliebte gewesen und, nach der Schlacht, bei ihm geblieben. Wohin sonst soll ich gehen?, hatte sie gefragt. Doch Wellesley hatte seinen Offizieren verboten, ihre Frauen mit auf den Feldzug zu nehmen. Simone war zwar nicht Sharpes Frau, aber sie war eine Weiße, und so hatte sie zugestimmt, nach Seringapatam zu gehen und dort auf Sharpe zu warten. Er hatte ihr ein Empfehlungsschreiben für Major Stokes, Sharpes Vorgesetzten und Freund, der die Waffenkammer leitete, und einige der Juwelen mitgegeben, sodass sie sich Bedienstete suchen und komfortabel leben konnte. Manchmal fragte er sich besorgt, ob er ihr nicht zu viele der kostbaren Steine seiner Kriegsbeute gegeben hatte, doch er tröstete sich mit dem Gedanken, dass Simone sie bis zu seiner Rückkehr sicher bewahren würde.
»Sie sind also glücklich, Sharpe?«, fragte Wallace unvermittelt.
»Jawohl, Sir«, sagte Sharpe freudlos.
»Die Arbeit lenkt Sie ab?«
»Eigentlich nicht, Sir.«
»Es ist schwierig, nicht wahr?«, sagte Wallace vage. Er war stehen geblieben und beobachtete die Kanoniere, die eine der erbeuteten Kanonen luden, ein Ungetüm, das aussah, als könne es eine Kugel von zwanzig oder mehr Pfunden verschießen. Das Rohr war mit Ornamenten von Lotosblumen und tanzenden Mädchen verziert und in grellen Farben angestrichen. Die Kanoniere hatten das bunte Rohr mit einer Doppelladung Pulver geladen, und jetzt rammten sie zwei Kanonenkugeln in den geschwärzten Schlund. Ein Pionier hatte einige Keile gebracht, und ein Sergeant der Kanoniere schob einen Keil ins Rohr hinab, dann wurde er mit dem Ansetzer hineingerammt, sodass die Kugeln beim Abfeuern blockiert wurden. Der Pionier zog eine Rolle Luntenschnur aus der Tasche und steckte ein Ende in das Zündloch. Dann trat er zurück und entrollte die Schnur.
»Wir sollten besser weitergehen«, sagte Wallace und wies den Weg. »Wir wollen doch nicht von einem Trümmerstück der Kanone enthauptet werden, oder?«
»Natürlich nicht, Sir.«
»Es ist sehr schwierig«, sagte Wallace und nahm den vorherigen Gedanken wieder auf. »Aus den Mannschaften aufzusteigen, das ist bewundernswert, Sharpe, aber schwierig, habe ich recht?«
»Ich nehme es an«, sagte Sharpe ausweichend.
Wallace seufzte, als fände er das Gespräch unerwartet unerfreulich. »Urquhart sagte mir, Sie sind anscheinend ...«, der Colonel legte eine Pause ein, suchte wohl nach dem richtigen Wort, »... unglücklich?«
»Es braucht seine Zeit, Sir.«
»Natürlich, natürlich. Bei solchen Dingen ist das immer so.« Der Colonel wischte sich über seinen Glatzkopf und stülpte seinen schweißbedeckten Hut dann wieder darauf. »Ich erinnere mich, wie es war, als ich zum Militär ging. Das ist jetzt natürlich lange her, und ich war nur ein kleiner Hüpfer. Wusste überhaupt nicht, was los war. Man brüllte ›Links um!‹, und ich drehte mich zackig nach rechts. Verdammt sonderbar, diese Armee, dachte ich. Monatelang dachte ich, ich bin im Irrenhaus, das kann ich Ihnen sagen.« Die Stimme des Colonels verlor sich. »Verdammt heiß«, sagte er nach einer Weile. »Verdammt heiß. Haben Sie je vom Fünfundneunzigsten gehört, Sharpe?«
»Fünfundneunzigsten, Sir? Ein weiteres schottisches Regiment?«
»Himmel, nein. Die 95. Schützen. Das ist ein neues Regiment. Erst ein paar Jahre alt. Wurde erst ›Experimental Corps of Riflemen‹ genannt!« Wallace brach bei dem Namen in Gelächter aus. »Aber ein Freund von mir ist bei den Halunken. Willie Stewart heißt er. Der ehrenwerte William Stewart. Großartiger Kollege! Aber Willie hat ein paar verdammt merkwürdige Ideen. Seine Jungs tragen grüne Röcke. Grüne! Und er sagte mir, seine Schützen seien nicht so steif, wie wir denken.« Wallace lächelte, um anzuzeigen, dass er einen Scherz gemacht hatte. »Ich habe mich gefragt, Sharpe, ob Sie nicht besser in Stewarts Einheit passen. Sie würden vielleicht seine Idee verstehen. Er fragte mich in einem Brief, ob ich irgendeinen aufgeweckten Offizier habe, der etwas von seiner Erfahrung in Indien nach Shorncliffe bringen könnte. Ich wollte ihm schon zurück schreiben, dass wir hier ein paar nette kleine
Weitere Kostenlose Bücher