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Sharpes Festung

Titel: Sharpes Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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ihn in die großen Häuser in West-London geführt hatte, die er für seine diebischen Freunde ausgekundschaftet hatte. »Du könntest ein guter Langfinger sein, Dicky«, hatte er zu ihm gesagt. Dann hatte er Sharpes Arm ergriffen und auf die Hähne gezeigt, die auf den Kampf warteten. »Welcher wird gewinnen, Junge, sagst du es mir?« Und Sharpe hatte auf gut Glück einen Hahn ausgewählt, und das Tier hatte meistens gewonnen. »Er ist ein Glückskind«, hatte der Fette bei seinen Freunden geprahlt und Sharpe einen Viertelpenny zugeworfen. »Der Dreikäsehoch hat das Glück des Teufels.«
    Heute jedoch nicht, dachte Sharpe.
    Plötzlich wurde der Teppich gepackt, abgerollt und Sharpe purzelte nackt auf harte Steine.
    Beifall brandete auf. Licht blendete Sharpe, doch schließlich erkannte er, dass er sich in einem großen Hof auf dem Steinboden befand. Fackeln an Säulen ringsum erhellten den Hof. Zwei Männer in weißen Gewändern packten ihn, richteten ihn auf und stießen ihn zu einer steinernen Bank, wo sie ihn zu seiner Überraschung von seinen Fesseln befreiten und ihm den Knebel aus dem Mund nahmen. Er saß auf der Steinbank, massierte seine Finger und atmete tief die schwüle Luft ein. Von Hakeswill war nichts zu sehen.
    Jetzt begriff er, dass er sich in einem Tempel befand. Ein gedeckter Säulengang umgab den Hof, und weil der Säulengang drei oder vier Fuß erhöht war, bildete der mit Steinen gepflasterte Hof eine natürliche Arena. Er hatte gar nicht so falsch gelegen, als er an die Vinegar Street und die Hahnenkämpfe gedacht hatte, doch er hätte sich niemals so reich verzierte Säulengänge mit leidenden Göttern und zähnefletschenden Tieren vorgestellt. Der erhöhte Säulengang ringsum war mit Männern gefüllt, die sichtlich in guter Stimmung waren. Es waren Hunderte, die eine außergewöhnliche Unterhaltung in der Nacht erwarteten.
    Sharpe tastete zu seiner geschwollenen Lippe und zuckte vor Schmerz zusammen. Er war durstig, und bei jedem Atemzug schmerzten seine angeknacksten oder gar gebrochenen Rippen. An seiner Stirn war eine dicke Schwellung, auf der das Blut verkrustet war. Er ließ seinen Blick über die Menge schweifen, suchte nach dem freundlichen Gesicht eines Bekannten und fand keines. Er sah nur indische Bauern mit dunklen Augen, in denen sich das Licht der Fackeln spiegelte. Sie mussten aus allen Dörfern im Umkreis von zehn Meilen gekommen sein, um Zeuge der kommenden Ereignisse zu werden.
    In der Mitte des Hofes stand ein kleines Steingebäude, wahrscheinlich ein Grabmal, mit aus Stein gemeißelten Elefanten und Tanzmädchen verziert und gekrönt von einem Turm, der mit Götterskulpturen und Tieren in Rot, Gelb, Grün und Schwarz geschmückt war. Die Geräusche der Menge erstarben, als ein Mann auf der Schwelle des Grabmals erschien und seine Arme hob, um Schweigen zu gebieten. Sharpe erkannte den Mann. Es war der große, dünne, humpelnde Mann im grün und schwarz gestreiften Gewand, der bei Torrance um Naigs Leben gefleht hatte, und hinter ihm tauchten zwei jettis auf. Darauf lief es also hinaus. Rache für Naig. Sharpe erkannte, dass Hakeswill nie vorgehabt hatte, ihn selbst zu töten. Er hatte ihn nur diesen Männern ausliefern wollen.
    Geraune lief durch die Reihen der Zuschauer, die die jettis bewunderten. Sie waren Muskelkolosse, die ihre außergewöhnliche Kraft irgendeinem indischen Gott widmeten. Obwohl Sharpe bereits auf jettis gestoßen war und einige in Seringapatam getötet hatte, bildete er sich nicht ein, gegen diese beiden bärtigen Giganten eine Chance zu haben. Er war zu geschwächt, zu durstig und geschunden, während diese beiden Monster riesig und mit enormen Muskelpaketen ausgestattet waren. Ihre bronzefarbene Haut war eingeölt, sodass sie im Schein der Fackeln glänzte. Ihr langes Haar war um ihre Schädel gewunden. Einer hatte sich rote Linien ins Gesicht gemalt, während der andere, der ein wenig kleiner war, einen langen Speer in der rechten Hand hielt. Beide waren nur mit einem Lendenschurz bekleidet. Sie blickten auf Sharpe, dann warf sich der größere Mann vor das Grabmal. Ein Dutzend Wächter kamen aus dem Hintergrund des Hofs und reihten sich an dessen Rand auf. Sie trugen Musketen mit aufgepflanzten Bajonetten.
    Der große Mann in dem gestreiften Gewand klatschte in die Hände, um die Menge zum Verstummen zu bringen. Das Gemurmel erstarb. Es dauerte eine Weile, denn immer noch drängten sich Zuschauer in den Tempel, und es war kaum mehr Platz im

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