Sharpes Festung
dass er plötzlich nach links oder rechts ausbrechen würde. Prithviraj massierte seine gewaltigen Finger, machte sie geschmeidig für die Arbeit der Nacht. Glühende Aschefetzen fielen von den Fackeln herunter, und einer landete auf Sharpes Schulter. Er wischte ihn ab.
»Sahib?«, zischte eine Stimme hinter Sharpe. »Sahib?«
Prithviraj wirkte ruhig und zuversichtlich. Verdammt kein Wunder, dachte Sharpe. Also tritt dem nackten Scheißer in die Eier. Er nahm an, dass dies seine letzte Chance war. Ein guter Tritt und hoffen, dass Prithviraj zusammenbrach. Entweder das, oder in den Speer rennen und hoffen, dass die Eisenspitze ihn schnell tötete.
»Sahib«, zischte die Stimme erneut.
Prithviraj drehte sich zur Seite, damit er seinen Unterleib nicht ungeschützt Sharpe darbot, dann winkte er dem anderen jetti , damit er sich dem Engländer näherte und ihn mit seinem Speer aus dem Säulengang hervortrieb.
»Du Scheißer«, zischte die Stimme ungeduldig.
Sharpe drehte den Kopf und sah, dass Ahmed auf Händen und Knien zwischen den Beinen der Zuschauer kauerte und den tulwar , den er in Deogaum erbeutet hatte, mit dem Griff voran zu ihm schob.
Sharpe lehnte sich an den Säulengang, und die Menge sah ihn scheinbar erschöpft an der Säule ausruhen und glaubte, er hätte aufgegeben. Einige stöhnten auf, denn sie hatten mehr von diesem Kampf erwartet, doch die meisten der Zuschauer verhöhnten ihn mit Schmährufen als Schwächling.
Sharpe zwinkerte Ahmed zu und griff nach dem tulwar . Er packte den Griff, schob sich von der Säule fort und drehte die Klinge aus der Scheide, die Ahmed immer noch in der Hand hielt. Dann fuhr er blitzschnell herum, und der gekrümmte Stahl schimmerte rötlichsilbern im Fackelschein des Hofes.
Die jettis , die ihn für einen geschlagenen Mann gehalten hatten, waren darauf nicht vorbereitet. Der Mann mit dem Speer war Sharpe am nächsten, und die gekrümmte Klinge traf ihn im Gesicht. Blut spritzte. Instinktiv schlug er die Hände vor die Augen und ließ den Speer fallen. Sharpe sprang nach rechts und hob ihn auf, und Prithviraj blickte jetzt besorgt drein.
Die Wächter hoben ihre Musketen. Sollen sie schießen, dachte Sharpe, denn das ist ein schnellerer Tod als die Qual, von einem nackten Koloss zerrissen und kastriert zu werden.
Jama war aufgesprungen, eine Hand in der Luft, doch es widerstrebte ihm, die Wächter schießen zu lassen, bevor Sharpe Schmerzen erlitten hatte. Der verwundete jetti war auf die Knie gesunken und presste die Hände auf sein blutüberströmtes Gesicht.
Dann krachte eine Muskete, und der Knall klang unnatürlich laut und hallte von den Wänden des Hofes wider. Einer der Wächter zuckte zusammen, als die Musketenkugel dicht an seinem Kopf vorbeifauchte und Steinsplitter aus dem Dach des Säulengangs fetzte. Dann ertönte eine Stimme aus dem Säulengang beim Tempeleingang. Der Mann rief etwas auf Indisch und sprach mit Jama, der entgeistert auf eine Männergruppe starrte, die sich grob ihren Weg bis vor die Zuschauer bahnte.
Es war Syud Sevajee, der gefeuert und zu Jama gesprochen hatte, und jetzt grinste er Sharpe an. »Ich habe ihm gesagt, dass es ein fairer Kampf sein muss, Ensign.«
»Ich gegen ihn?« Sharpe nickte zu Prithviraj hin.
»Wir sind wegen des Spektakels hier«, sagte Syud Sevajee. »Sie können uns wenigstens etwas Unterhaltung bieten.«
»Warum erschießen Sie den Scheißer nicht einfach, damit es vorbei ist?«
Sevajee lächelte. »Diese Menge wird den Ausgang eines fairen Kampfs akzeptieren, Ensign. Es könnte ihr missfallen, wenn ich Sie einfach rette. Außerdem wollen Sie nicht in meiner Schuld stehen, oder?«
»Ich stehe bereits bis zu den Ohren in Ihrer Schuld«, sagte Sharpe. Er wandte sich um und blickte zu Prithviraj, der auf ein Zeichen von Jama wartete. »He, Goliath!«, rief Sharpe. »Hier!« Er warf ihm den tulwar zu und behielt den Speer. »Willst du einen fairen Kampf? Jetzt hast du eine Waffe.«
Der Schmerz schien verschwunden, und auch den Durst spürte Sharpe jetzt nicht mehr. Es war wie dieser Moment bei Assaye, als er von Feinden umzingelt gewesen war, und plötzlich war die Welt ein Ort der Ruhe und er von völliger Gelassenheit gewesen. Jetzt hatte er eine Chance, mehr noch, er würde den großen Bastard niederkämpfen. Es würde ein fairer Kampf ein, und Sharpe war mit Kämpfen aufgewachsen. Von frühester Jungend an in der Gosse und in Armut, von der Verzweiflung getrieben, war er zum Kämpfen verdammt gewesen.
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