Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sharpes Feuerprobe

Titel: Sharpes Feuerprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
Sharpe an, Sharpe starrte zurück, dann spannte er langsam die Pistole. Der Tiger hörte das Klicken und peitschte einmal mit dem Schwanz. Die Raubtieraugen beobachteten Sharpe, und dann, sehr langsam, duckte sich der Tiger. Sein Schwanz schlug einmal hin und her.
    »Schießen Sie jetzt noch nicht!«, rief McCandless leise. »Lassen Sie ihn näher rankommen!«
    »Jawohl, Sir«, sagte Sharpe. Er hielt den Blick auf die Augen des Tigers gerichtet, als er sich langsam aufrappelte und auf die Bestie zuging. Furcht wühlte in ihm. Hakeswill zischte etwas, das ermunternd sein sollte, doch Sharpe hörte nichts, er sah nur die Augen des Tigers.
    Er fragte sich, ob er versuchen sollte, zurück in die Zelle zu flüchten, doch er nahm an, dass der Tiger springen würde, während er noch versuchen würde, die Tür zu öffnen. Besser ist es, der Bestie gegenüberzutreten und sie auf dem Gang zu erschießen, entschied er.
    Er hielt die Pistole auf Armlänge, zielte mit der Mündung auf den schwarzen Fleck im Fell gerade unterhalb der Augen des Tiers.
    Wie treffgenau war die Pistole? Es war ein schönes Ding, mit Elfenbein und Silber, aber feuerte es genau? Selbst eine minimale Lücke zwischen Lauf und Kugel, so dünn wie ein Blatt Papier, reichte aus, um das Ziel knapp zu verfehlen.
    »Knall den Scheißer ab, Sharpie!«, drängte Hakeswill.
    »Vorsichtig, Mann!«, zischte McCandless. »Zielen Sie genau. Vorsichtig jetzt!«
    Sharpe schob sich vorwärts, den Blick immer noch auf die Tigeraugen fixiert. Er zwang die Bestie mit purer Willenskraft, zu verharren und friedlich auf den Tod zu warten.
    Zehn Fuß.
    Der Tiger beobachtete ihn reglos. Schweiß brannte in Sharpes Augen, und das Gewicht der Pistole ließ seine Hand zittern.
    Tu es jetzt, dachte er. Drück ab, streck den Scheißer nieder, und renne wie der Teufel.
    Er blinzelte, der Schweiß brannte in seinen Augen. Der Tiger blinzelte nicht einmal.
    Noch acht Fuß.
    Sharpe konnte die Bestie riechen, sah ihre ausgefahrenen Krallen auf dem Steinboden, sah das Glitzern in ihren Augen.
    Sieben Fuß.
    Nahe genug, schätzte er und visierte den Tiger an.
    Und der Tiger sprang. Er schnellte sich so rasend vom Boden ab, dass er fast schon über Sharpe war, bevor der auch nur erkannte, dass sich die Bestie in Bewegung gesetzt hatte. Er erhaschte einen Blick auf gewaltige Pfoten mit ausgefahrenen Krallen und auf tödliche gelbe Zähne in einem fauchenden Maul, und unbewusst schrie er laut in seiner Panik. Er wusste auch nicht, dass er den Abzug betätigte. Er drückte nicht so glatt ab, wie er es vorgehabt hatte, sondern mit einem panischen Ruck. Dann, instinktiv, ließ er sich fallen und duckte sich, damit der Tiger über ihn springen würde.
    Lawford stockte der Atem. Das Echo des Schusses hallte durch den Kerker, in dem es plötzlich nach Pulverrauch stank. Hakeswill kauerte sich in einer Ecke seiner Zelle zusammen, wagte kaum hinzusehen, während McCandless ein lautloses Gebet murmelte.
    Sharpe lag am Boden und erwartete den Schmerz, wenn ihn die Pranken auseinander rissen.
    Doch der Tiger verendete. Die Kugel hatte ihn hinten im Gaumen getroffen. Es war nur eine kleine Kugel, doch die Wucht des Treffers reichte, um durch das Gewebe in der Kehle zu dringen und die Schädeldecke zu durchschlagen. Blut spritzte auf die Gitterstäbe der Zelle, als der geschmeidige Sprung des Tigers mit seinem Zusammenbruch endete. Aber irgendein schrecklicher Instinkt von Leben erfüllte ihn immer noch, und er versuchte, auf die Beine zu kommen. Seine Pfoten scharrten über Stein, während sein Schwanz peitschte. Dann schoss Blut aus seiner Schnauze, der Kopf sank zurück, und die Bestie lag still.
    Es herrschte Totenstille.
    Die ersten Fliegen erkundeten das Blut, das aus dem Maul des Tigers quoll.
    Sharpe rappelte sich auf. Er zitterte.
    Dann holte er seinen zerrissenen Uniformrock, zog die Zellentür weit auf und schob sich dann vorsichtig an dem toten Tiger vorbei, als befürchtete er, die Bestie könnte zu neuem Leben erwachen. McCandless und Lawford folgten ihm die Steintreppe hinauf.
    »Was ist mit mir?«, rief Hakeswill. »Ihr könnt mich nicht hier zurücklassen. Das wäre unchristlich!«
    »Lasst ihn da«, befahl McCandless.
    »Das hatte ich vor, Sir«, sagte Sharpe. Er zog seinen Dietrich hervor und griff nach dem Vorhängeschloss am äußeren Tor. Dieses Schloss war viel einfacher, ein primitiver Mechanismus mit nur einem Hebel, und es dauerte nur Sekunden, bis das alte Schloss

Weitere Kostenlose Bücher