Sharpes Feuerprobe
Wall oberhalb jubelten die Soldaten.
Sharpe löste die Peitschenschnur von seinem Hals und hob einen der Speere auf. Dann erledigte er die beiden jettis , die noch lebten. Einer war bewusstlos, und der andere bekam fast keine Luft mehr, und beiden durchbohrte er jetzt die Kehle. Aus den Fenstern der niedrigen Gebäude um den Hof starrten Frauen und Männer Sharpe schockiert an.
»Steh da nicht nur rum!«, schnauzte Sharpe Lawford an. Und fügte hastig »Sir« hinzu.
Lawford und McCandless kamen durch das Tor, während Kunwar Singh ihnen plötzlich entgegeneilte, als sei er aus einem Zauberbann befreit.
Mary lief zu Sharpe. »Alles in Ordnung mit dir?«
»Es war nie besser, Mädchen«, erwiderte er. In Wirklichkeit zitterte er, als er seinen roten Rock aufhob.
Kunwar Singhs sechs Männer starrten ihn an, als sei er ein Teufel aus einem Albtraum.
Sharpe wischte sich Schweiß aus den Augen. Er wusste gar nicht genau, was geschehen war, denn er hatte gekämpft, wie er immer kämpfte, schnell und tödlich, doch es war der Instinkt, der ihn geleitet hatte, nicht die Vernunft, und nach dem Kampf empfand er glühenden Hass. Er wollte diesen Hass stillen, indem er noch mehr Männer tötete, und vielleicht spürten Kunwar Singhs Soldaten dies, denn keiner wagte sich zu rühren.
Lawford ging zu Sharpe.
»Wir nehmen an, dass der Angriff bald stattfindet, Sharpe«, sagte der Lieutenant. »Und Colonel McCandless wird zu einem sicheren Platz gebracht. Er hat darauf bestanden, dass wir mitkommen. Der Mann mit den Juwelen ist nicht sehr glücklich darüber, doch McCandless will nicht ohne uns gehen. Du hast deine Sache übrigens gut gemacht.«
Sharpe blickte dem Lieutenant in die Augen. »Ich gehe nicht mit McCandless, Sir, ich gehe kämpfen.«
»Sharpe!«, tadelte Lawford.
»Da ist eine verdammte Sprengladung, Sir!«, sagte Sharpe ärgerlich. »Sie wartet nur darauf, unsere Jungs zu killen! Ich lasse das nicht zu. Du kannst tun, was du für richtig hältst, aber ich bringe noch einige der Bastarde um. Du kannst mitkommen oder bei dem Colonel bleiben, mir ist das egal. Sie, Junge!« Dies war an einen von Kunwar Singhs verständnislosen Soldaten gerichtet. »Geben Sie mir einige Patronen! Los, schnell!«
Sharpe ging zu dem Mann, öffnete seine Patronentasche und nahm sich eine Hand voll Patronen heraus, die er in seine Tasche schob. Kunwar Singh hinderte ihn nicht daran. Jeder im Hof schien benommen von Sharpes Wildheit zu sein, mit der er drei von Tippus jettis ausgeschaltet hatte, obwohl der Offizier, der die Soldaten auf dem inneren Wall befehligte, jetzt hinunterrief und wissen wollte, was los war. Kunwar Singh rief zurück, dass sie auf Geheiß des Sultans handelten.
McCandless hatte mitgehört, was Sharpe mit Lawford gesprochen hatte.
»Wenn ich helfen kann, Private ...«, sagte der Colonel.
»Sie sind geschwächt, Sir, verzeihen Sie, dass ich das sage, Sir. Aber Mister Lawford wird mir helfen.«
Lawford sagte einen Moment nichts, doch dann nickte er. »Ja, natürlich werde ich das.«
»Was wollen Sie tun?«, fragte McCandless. Er sprach zu Sharpe, nicht zu Lawford.
»Die verdammte Sprengladung in die Luft blasen. Damit der Spuk aufhört.«
»Gott segne Sie, Sharpe. Und beschütze Sie.«
»Sparen Sie sich Ihre Gebete für den Feind auf, Sir«, sagte Sharpe knapp. Er rammte eine Ladung in die Muskete und stürmte in eine Gasse, die südwärts führte. Er war frei im Rücken seiner Feinde, er war zornig und bereit, den Bastarden einen Vorgeschmack auf die Hölle auf Erden zu geben.
Major General Baird zog eine große Uhr aus seiner Uhrtasche, ließ den Deckel aufspringen und starrte auf die Zeiger.
Ein Uhr. Am vierten Mai 1799. Samstag.
Ein Schweißtropfen von ihm landete auf dem Uhrglas, und er wischte ihn behutsam mit einem Zipfel seiner roten Schärpe ab. Die Schärpe war von seiner Mutter gemacht worden. »Du wirst uns nicht enttäuschen, Davy«, hatte sie ernst zu dem Jungen gesagt, als sie ihm den Streifen Seide gegeben hatte, und dann hatte sie geschwiegen, als er fortgegangen war, um sich bei der Armee zu melden. Die Schärpe war jetzt über zwanzig Jahre alt, und sie war ausgefranst und fadenscheinig, doch Baird nahm an, dass er sie eines Tages nach Schottland zurückbringen würde.
Es wäre schön, dachte er, heimzukehren und das neue Jahrhundert zu erleben. Vielleicht würde das neunzehnte Jahrhundert eine andere Welt bringen, vielleicht sogar eine bessere, doch er bezweifelte, dass die neue
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