Sharpes Feuerprobe
aufschnappte.
»Wohin gehen wir?«, fragte Lawford.
»Erst mal nach oben«, sagte McCandless. Die plötzliche Freiheit schien den Colonel das Fieber vergessen zu lassen. »Wir müssen uns irgendwo ein Versteck suchen.«
Sharpe schob das Tor auf. Dann sah er Mary. Sie starrte ihn aus dem Torweg gegenüber des Hofes an. Er lächelte. Sie lächelte nicht zurück, sondern blickte entsetzt. Es waren Männer bei ihr, und sie verharrten reglos vor Furcht. Im nächsten Augenblick sah Sharpe, warum.
Drei jettis überquerten den Hof in Richtung Kerkereingang. Drei Monster. Drei Kolosse mit nackten, eingeölten, muskelbepackten Oberkörpern. Einer trug eine zusammengerollte Peitsche, während die anderen beiden mit langen Speeren bewaffnet waren, mit denen sie den Tiger fernhalten wollten, bevor sie die Zellen der Gefangenen öffneten.
Sharpe fluchte. Er ließ seinen Uniformrock und den Dietrich fallen.
»Können Sie uns wieder einschließen?«, fragte McCandless.
»Diese Kerle sind stark genug, um die Vorhängeschlösser einfach abzureißen, Sir. Wir müssen die Bastarde killen.« Sharpe stürzte durch das Tor davon und rannte nach rechts. Die jettis folgten ihm, jedoch langsamer. Es waren keine schnellen Männer, doch ihre massive Stärke gab ihnen Selbstvertrauen, als sie sich zu einer Linie formierten, um Sharpe in einer Ecke des Hofes zu stellen.
»Werft mir eine Muskete zu«, rief Sharpe zu Mary hinüber. »Schnell, Mädchen, schnell!«
Mary entriss einem von Kunwar Singhs Männern eine Muskete. Bevor der überraschte Mann protestieren konnte, warf sie Sharpe die Waffe zu. Er fing sie, hielt sie an seiner Hüfte, spannte die Waffe jedoch nicht. Dann ging er dem mittleren jetti entgegen.
Der Mann hatte gesehen, dass die Muskete nicht gespannt war, und er lächelte in Erwartung eines leichten Sieges. Er schlug mit der Peitsche zu, und das Ende schlang sich um Sharpes Kehle. Der jetti zerrte daran, wollte Sharpe aus dem Gleichgewicht reißen, doch Sharpe rannte bereits auf ihn zu, um die Spannung der Peitschenschnur aufzuheben.
Der jetti hatte noch nie einen so schnellen Mann wie Sharpe erlebt. Auch noch keinen so tödlichen. Der jetti hatte sich kaum von seiner Überraschung erholt, als Sharpe ihm die Mündung der Muskete mit der Wucht eines Vorschlaghammers gegen den Adamsapfel rammte. Er würgte, seine Augen weiteten sich, dann traf ihn Sharpes Tritt zwischen die Beine, und der Hüne taumelte und brach zusammen.
Ein Muskelmann war am Boden und rang verzweifelt nach Luft, doch die langen Speere der beiden anderen jettis drehten sich Sharpe zu, der sich – die Peitschenschnur noch immer um die Kehle – schnell nach rechts wandte. Mit dem Musketenkolben stieß er den Speer des nächsten jetti zur Seite, dann drehte er die Muskete um und griff an.
Der jetti verlor seinen Speer und wollte die Muskete ergreifen, doch Sharpe schlug einen Haken, sodass der Hüne ins Leere griff. Dann schwang Sharpe die Muskete am Lauf, und der mit Messing beschlagene Kolben krachte gegen die Schläfe des Kolosses. Es klang, als würde eine Axt in weiches Holz schlagen.
Zwei der Bastarde lagen am Boden. Die Soldaten der Batterie des inneren Walls beobachteten den Kampf, griffen jedoch nicht ein. Sie waren verwirrt, denn Kunwar Singh stand gleich daneben und unternahm nichts, und seine Juwelen ließen ihn wie einen Mann mit hoher Machtbefugnis wirken, und so folgten sie seinem Beispiel und hielten sich heraus. Einige der Soldaten stießen sogar Hurraschreie aus, denn die jettis wurden bewundert, aber gleichermaßen abgelehnt, denn sie erhielten Privilegien, von denen der normale Soldat nur träumen konnte.
Lawford hatte Sharpe zu Hilfe eilen wollen, doch sein Onkel hielt ihn zurück.
»Lass es, Willie«, sagte McCandless ruhig. »Er tut Gottes Werk, und ich habe es selten jemanden besser tun sehen.«
Der dritte jetti walzte mit seinem Speer auf Sharpe zu. Er näherte sich ihm vorsichtig, verwirrt, weil dieser ausländische Dämon seine beiden Gefährten so leicht ausgeschaltet hatte.
Sharpe lächelte den dritten jetti an, legte die Muskete an, zog den Hahn zurück und feuerte.
Die Kugel schlug in die Brust. All seine mächtigen Muskeln erzitterten bei der Wucht des Kugeleinschlags. Der jetti verharrte, als sei er gegen eine Mauer geprallt, dann versuchte er wieder anzugreifen, doch seine Knie gaben nach und er stürzte vornüber aufs Gesicht. Er zuckte ein paar Mal, seine Hände scharrten über den Boden, dann lag er still. Vom
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