Sharpes Feuerprobe
ließen den letzten der sechs Tiger frei und folgten dann den jettis durch den Torweg. Der tote Soldat war fortgeschleift worden. Für einen Moment beobachteten die Tiger die verbliebene Leiche, dann schlich eine der Bestien zu ihr und weidete den fetten Bauch mit einem Prankenhieb aus.
Und so war Ravi Shekhar gestorben. Und jetzt wurde er gefressen.
Sharpe war vor Sonnenuntergang wieder bei seiner Kompanie. Er wurde überschwänglich von Männern begrüßt, die seine Erlösung vom Auspeitschen als kleinen Sieg der einfachen Mannschaften gegen die blinde Autorität betrachteten. Private Mallinson schlug Sharpe sogar auf den Rücken und erntete dafür eine Reihe von Flüchen.
Sharpe aß mit seinen sechs Kameraden, und wie immer waren drei Frauen und Mary dabei. Das Abendessen war Bohneneintopf, Reis und Salzfleisch, und nach der kleinen Mahlzeit teilten sie eine Feldflasche Arrak, als Sergeant Hakeswill auftauchte.
»Private Sharpe!« Hakeswill trug einen Stock und richtete die Spitze auf Sharpe. »Ich will mit Ihnen sprechen!«
»Sergeant.« Sharpe nahm Hakeswill gelassen zur Kenntnis, regte sich jedoch nicht.
»Haben Sie nicht gehört, Private? Auf die Füße, aber schnell!«
Sharpe regte sich immer noch nicht. »Ich bin vom Kompaniedienst befreit, Sergeant. Befehl des Colonels.«
Hakeswills Gesicht verzerrte sich grotesk.
»Dies ist kein Dienst«, sagte der Sergeant, »dies ist Ihr verdammtes Vergnügen. Also auf Ihre verdammten Füße und herkommen!«
Sharpe erhob sich gehorsam und zuckte zusammen, als sein Uniformrock über seinen verletzten Rücken scheuerte. Er folgte dem Sergeant zu einer freien Stelle hinter dem Zelt des Bataillonschirurgen, wo sich Hakeswill umdrehte und seinen Stock gegen Sharpes Brust stieß.
»Wie, zur Hölle, sind Sie dem Auspeitschen entkommen, Sharpe?«
Sharpe ignorierte die Frage. Hakeswills gebrochene Nase war immer noch geschwollen und grün und blau, und Sharpe konnte den Ärger in den Augen des Sergeants sehen.
»Haben Sie mich nicht gehört, Junge?« Hakeswill stieß mit der Stockspitze in Sharpes Magengrube. »Wie kommt es, dass Sie befreit wurden?«
»Und wie kam es, dass Sie vom Galgengerüst abgeschnitten wurden, Sergeant?«, stellte Sharpe die Gegenfrage.
»Riskieren Sie keine große Lippe, Junge, oder ich werde Sie wieder auf das Dreibein schnallen lassen. Und jetzt sagen Sie mir, was der General wollte.«
Sharpe schüttelte den Kopf.
»Wenn Sie das wissen wollen, Sergeant«, sagte er, »sollten Sie General Harris selbst fragen.«
»Stehen Sie still! Stillgestanden!«, brüllte Hakeswill, dann schlug er mit dem Stock auf ein nahes Halteseil. Er schnaubte und fragte sich, wie er am besten die Information aus Sharpe herausholen konnte. Er entschied sich, die Taktik zu wechseln und es mit Freundlichkeit zu versuchen. »Ich bewundere Sie, Sharpie«, sagte er heiser. »Nicht viele Männer haben den Mumm, nach zweihundert Peitschenhieben davonzuspazieren. Dazu bedarf es Stärke, Sharpie, und ich würde es hassen, wenn Sie noch mehr gepeitscht würden. Es ist in Ihrem eigenen Interesse, es mir zu sagen, Sharpie. Das wissen Sie. Sonst werde ich böse. Also, warum sind Sie freigelassen worden, Junge?«
Sharpe gab vor, nachzugeben.
»Sie wissen, warum ich freigelassen wurde, Sergeant«, sagte er. »Der Colonel hat es angekündigt.«
»Nein, ich weiß es nicht, Junge«, sagte Hakeswill. »Wirklich nicht, also sagen Sie es mir jetzt.«
Sharpe zuckte mit den Schultern. »Weil wir am Tag zuvor gut gekämpft haben. Es ist sozusagen eine Belohnung gewesen.«
»Nein, das ist es verdammt nicht gewesen!«, brüllte Hakeswill, wich zur Seite aus und schlug mit dem Stock auf Sharpes verwundeten Rücken.
Sharpe hätte fast vor Schmerz aufgeschrien.
»Sie sind nicht ohne Grund zum Zelt des Generals gerufen worden, Sharpie!«, sagte Hakeswill. »Das ist doch klar. So was habe ich noch nie im Leben gehört. Also erzählen Sie mir den Grund, Sie Bastard!«
Sharpe drehte sich um und sah seinem Peiniger ins Gesicht.
»Wenn Sie mich noch einmal mit diesem Stock schlagen, Obadiah«, sagte er leise, »werde ich General Harris davon erzählen. Ich werde Ihnen die Streifen abschneiden lassen, und Sie werden zum Private degradiert. Würde Ihnen das gefallen, Obadiah? Sie und ich im gleichen Rang. Mir würde es gefallen, Obadiah.«
»Stillgestanden!«, fauchte Hakeswill.
»Halten Sie das Maul, Sergeant«, sagte Sharpe ruhig. Er hatte Hakeswill auflaufen lassen, und das
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