Sharpes Gefecht
Augen.
Kiely betrat eine Kirche. Nicht weil er hätte beten wollen, sondern weil er nicht wusste, wo er sonst hätte hingehen sollen. Er konnte die Vorstellung nicht ertragen, wieder in General Valverdes Quartier zurückzugehen, wo er untergekommen war, denn dort würde man ihn nur auslachen und hinter seinem Rücken über ihn flüstern.
Die Kirche war voller schwarz gekleideter Frauen, die auf die Beichte warteten. Eine ganze Phalanx von Kerzen brannte vor Statuen, Altären und Gemälden. Die kleinen Lichter ließen die vergoldeten Säulen und das riesige Silberkreuz über dem Hochaltar funkeln, das noch immer seinen Osterschmuck trug.
Kiely ging zu den Altarstufen. Sein Säbel klapperte auf dem Marmorboden, als er sich niederkniete und zu dem Kreuz hinaufstarrte. Auch er wurde gekreuzigt, dachte er, und zwar von geringeren Männern, die seine noblen Ziele einfach nicht verstanden. Kiely holte eine kleine Flasche aus der Tasche, setzte sie an die Lippen und schüttete den starken, spanischen Brandy förmlich in sich hinein, als könne der ihm das Leben retten.
»Geht es Ihnen gut, mein Sohn?« Ein Priester war neben Kiely getreten.
»Gehen Sie weg«, sagte Kiely.
»Der Hut, mein Sohn«, sagte der Priester nervös. »Das hier ist ein Haus Gottes.«
Kiely riss sich den Hut vom Kopf. »Gehen Sie weg«, sagte er noch einmal.
»Gott schütze Sie, mein Sohn«, sagte der Priester und verschwand wieder in den Schatten. Die Frauen, die auf die Beichte warteten, schauten immer wieder nervös zu dem elegant gekleideten Offizier, und sie fragten sich, ob er wohl für den Sieg über die anrückenden Franzosen betete. Jeder wusste, dass der Feind wieder angriff, und Hausbesitzer vergruben ihre Wertsachen in den Gärten für den Fall, dass Massénas gefürchtete Veteranen die Briten schlugen und die Stadt plünderten.
Kiely leerte seine Flasche. In seinem Kopf drehte sich alles vor lauter Alkohol, Scham und Wut. Hinter dem Silberkreuz über dem Hochaltar stand eine Statue der Muttergottes in der Nische. Sie trug ein Sternendiadem, eine blaue Robe und hielt Lilien in der Hand. Es war schon lange her, dass Kiely zum letzten Mal ein solches Bild angestarrt hatte. Seine Mutter hatte solche Dinge geliebt. Sie hatte ihn zur Beichte gezwungen und zur heiligen Kommunion, und sie hatte ihn immer wieder dafür getadelt, dass er ihren Erwartungen nicht gerecht geworden war. Sie hatte oft zur Heiligen Jungfrau gebetet und behauptet, sie habe eine besondere Beziehung zu ihr, denn auch sie sei eine enttäuschte Frau, die das Leid einer Mutter ertragen müsse.
»Du Hexe«, sagte Kiely laut zu der blau gewandeten Statue. »Hexe!« Er hatte seine Mutter gehasst, und er hasste auch die Kirche. Juanita hatte Kielys Verachtung für die Kirche geteilt, doch Juanita war die Geliebte eines anderen. Vielleicht war sie ja schon immer die Geliebte eines anderen gewesen. Sie hatte bei Loup gelegen und bei Gott weiß wie vielen anderen Männern, und die ganze Zeit über hatte Kiely geplant, sie zu einer Gräfin zu machen und sich mit ihrer Schönheit in den Hauptstädten Europas zu brüsten. Die Tränen liefen ihm über die Wangen, als er an ihren Verrat dachte und sich an die Demütigung durch Captain Sharpe erinnerte. Letzteres erfüllte ihn mit Wut. »Du Hexe!«, schrie er die Jungfrau Maria an. Er stand auf und warf die leere Flasche auf die Figur hinter dem Altar. »Hure!«, kreischte er, als die Flasche von dem blauen Gewand abprallte, ohne Schaden anzurichten.
Die Frauen schrien. Der Priester rannte auf Seine Lordschaft zu und blieb dann erschrocken stehen, denn Kiely hatte die Pistole gezogen. Das Klicken des Hahns hallte laut in der Kirche wider, als Kiely ihn spannte.
»Du Hexe!« Kiely spie der Statue das Wort förmlich entgegen. »Du verlogene, diebische, doppelzüngige, elende Hure!« Die Tränen rannen ihm noch immer über die Wangen, als er die Waffe hob.
»Nein!«, flehte der Priester, und die verzweifelten Schreie der Frauen hallten durch den Raum. »Bitte! Nein! Gedenkt der Heiligen Jungfrau! Bitte!«
Kiely drehte sich zu dem Mann um. »Sie nennen Sie eine Jungfrau, ja? Glauben Sie wirklich, sie war noch Jungfrau, nachdem Roms Legionen durch Galiläa gezogen sind?« Er lachte wild und drehte sich erneut zu der Statue um. »Du verdammte Hure!«, schrie er. »Du dreckige Hure!«
»Nein!«, rief der Priester der Verzweiflung nahe.
Kiely drückte ab.
Die schwere Kugel schlug durch seinen Gaumen und riss ein großes Stück aus
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